Der Freistaat Bayern und seine politische Führung waren und sind bekannt für ihre stets beschworene Eigenständigkeit und Souveränität innerhalb Deutschlands und Europas. Nicht selten wird auch heute noch gelegentlich versucht, von München aus eine zumindest in Ansätzen selbstständige „Außenpolitik“ zu treiben. Trotzdem gerieten gerade die Außenbeziehungen des weitgehend unabhängigen Bayerns vor der Reichsgründung 1870/71 zu seinen europäischen Nachbarn lange Zeit ins Abseits der historischen Forschung. Der neuerschienene, von Katharina Weigand und Prof. Alois Schmid herausgegebene Sammelband versucht nun, einen Beitrag zur Schließung dieser Lücke zu liefern.
Insgesamt 25 Aufsätze bilden ein buntes Potpourri quer durch die weiß-blau-gerautete Geschichte: Dabei kommen sowohl bekannte als auch fast vergessene Aspekte der bayerischen Auslandsbeziehungen zur Sprache. Das Spektrum reicht von den Wechselwirkungen Bayerns mit den Langobarden bis zum Münchner Exil Lenins, von der christlichen Missionierung durch irische Mönche über das spanisch-bayerische Bündnis im Dreißigjährigen Krieg bis zur Bedeutung der italienischen Gastarbeiter im Nachkriegs-München. Für den Leser bietet sich die Möglichkeit, ganz neue Einsichten in die europäische Vergangenheit Bayerns zu gewinnen, die so manche Überraschung bereithalten. Dabei kann und will das Werk selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und eine systematische Darstellung erheben, jedoch gelingt es den Autoren, durch das gezielte Setzen von Schlaglichtern einen spannenden und abwechslungsreichen Gang durch die bayerischen Beziehungen mit seinen europäischen Nachbarn zu gestalten.
Überraschend wirkt auf den ersten Blick die Verteilung der einzelnen Aufsätze nach Staaten und Nationen, deren Wechselwirkungen mit Bayern beschrieben werden. Mit allein fünf Beiträgen liegt dabei Italien (zählt man das Papsttum hinzu) einsam an der Spitze – gefolgt von drei Aufsätzen, die sich mit Frankreich und Österreich befassen. Auf immerhin zwei Vorträge bringen es England, Spanien, Rußland und Ungarn; Preußen dagegen – wen wundert es – ist mit nur einem Beitrag vertreten.
Insgesamt gesehen ist den Herausgebern eine unterhaltsame und kurzweilige Zusammenstellung aus 25 „Miniaturen“ gelungen, die zum Schmökern einladen und selbst den Kennern die ein oder andere neue Perspektive öffnen.
Rezension: Böhles, Marcel