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Blutiger Karneval – Der Sacco di Roma 1527 – eine politische Katastrophe

Reinhardt, Volker

Blutiger Karneval – Der Sacco di Roma 1527 – eine politische Katastrophe

Die Plünderung Roms durch die Truppen Karls V., geprägt durch die Gefangennahme von Papst Clemens VII. und zahlreiche Todesopfer, gilt als eines der größten Massaker der europäischen Geschichte des 16. Jahrhunderts. Der „Sacco di Roma“ hat seinen Platz in jeder Geschichte dieser Zeit und in jeder Papstgeschichte; die monographische Darstellungsweise blieb bisher allerdings hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Die vorliegende Studie besticht durch ihre Konzeption, denn sie geht über die übliche Darstellung des Geschehens aus heutiger Sicht – von der Vorgeschichte 1526/27 bis zu den verheerenden Folgen für die Stadt seit der Erstürmung am 6. Mai 1527 – weit hinaus, indem sie unter dem Titel „Bilder einer Plünderung“ „das Böse“ am Sacco aus verschiedenen Blickwinkeln der betroffenen Zeitgenossen betrachtet und analysiert.

Reinhardt relativiert die heutige Sichtweise und Beurteilung durch die „Geschichtsmächtigkeit der Bilder des Sacco, die sich die Zeitzeugen selbst gemacht haben“. Es sind die uns heute vielfach fremden Denkmuster der Zeitgenossen des 16. Jahrhunderts, die der Autor zum Ausgangspunkt seiner Analyse wählt.

So geht es etwa um den Blickwinkel der Opfer, den „Sacco der Römer“: Die Opfer verloren jegliches Vertrauen in die „bergenden Qualitäten dieser Welt“. Hinter dem Sacco stehe nicht der Zufall, sondern Gott, der dem Papst und der Kurie eine gerechte Strafe geschickt habe. Oder der „Sacco der Söldner“: Aus der Täterperspektive war der Sacco ein die Wahrheit aufdeckender Karneval, geprägt von Inszenierungen der Landsknechte mit Spottumzügen gegen den Papst, den sie für den Antichristen hielten. Für Adam Reißner, den Sekretär des Landsknechtsführers Frundsberg, triumphierte die „fides“ und „virtus germanicae“ (germanische Treue und Tugend) über die „welsche Hinterlist“.

Dann der „Sacco der Reformer“: Auch für die Reformer in Rom war der Papst der Schuldige. Jacopo Sadoleto etwa sieht im Sacco ein Zeichen Gottes, die Kirchenreform in Angriff zu nehmen; die große Plünderung sei die angemessene Züchtigung gewesen. Aber im Rückblick muss Sadoleto feststellen, dass sich nichts gebessert habe.

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Besonders heftig und kontrovers war die Debatte der Humanisten über den Sacco, so etwa zwischen Erasmus, den deutschen und den italienischen Humanisten. Letztere sahen im Sacco das Einbrechen der rohesten Barbaren in die „verfeinertste Nation der Welt“ – Italien. „Humanitas und bestialitas, Italien und die Außenwelt, standen sich unversöhnlicher denn je gegenüber.“ Es ist der antike Topos, der hier bemüht wird. Erasmus hingegen prangerte den Paganismus des italienischen Humanismus, den „veräußerlichten Romkult der Ciceronianer“ an. In der Sicht der zeitgenössischen Historiker war der Sacco ein Symptom für den politischen Niedergang Italiens, die Plünderungen die Folge der Umkehr der Werte, wenn das „Volk“ an der Macht sei – so der Florentiner Luigi Guicciardini, der die Herrschaftswechsel in seiner Stadt seit 1494 erlebt hatte.

Es ist von besonderem Interesse und im Einzelnen vom Autor belegt, in welcher Weise nationale, ja sogar nationalistische Denkweisen und Stereotypen der Eliten auftauchen und die Auseinandersetzungen prägen, offensichtlich Jahrhunderte vor der Hochkonjunktur des Nationalismus als Massenbewegung und führende Staatsideologie in der Geschichte Europas. Allein schon diese Einsichten in die Geschichte des Nationalismus machen die Lektüre dieses intelligenten und anregenden Buchs von Volker Reinhardt spannend.

Rezension: Prof. Dr. Alfred Kohler

Reinhardt, Volker
Blutiger Karneval – Der Sacco di Roma 1527 – eine politische Katastrophe
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009, 144 Seiten, Buchpreis € 24,90
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