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Căpitan Codreanu – Aufstieg und Fall des rumänischen Faschistenführers

Schmitt, Oliver Jens

Căpitan Codreanu – Aufstieg und Fall des rumänischen Faschistenführers

Der rumänische Faschistenführer Corneliu Zelea Codreanu (1899 –1938) ist außerhalb Rumäniens auch bei historisch Interessierten nahezu unbekannt. Im kommunistischen Rumänien war Codreanu eine tabuisierte Unperson. Bis heute hat keine „ernsthafte Debatte über seine Stellung in der Geschichte Rumäniens“ stattgefunden, wie der Osteuropa-Historiker Oliver Jens Schmitt schreibt, der nun die erste umfassende Biographie Codreanus in deutscher Sprache vorlegt.

Schmitts Text ist dicht, detailreich und flüssig geschrieben. Der Leser taucht ein in die fiebrigen Zeiten der 1920er und 30er Jahre und wird mit einer charismatischen und ambivalenten, zwischen orthodoxer Mystik und national-religiösem, antisemitischem und sozialrevolutionärem Aktionismus hin- und hergerissenen Person konfrontiert. Rumänien dehnte sein Territorium nach dem Ersten Weltkrieg massiv aus; Staatsfläche und Bevölkerungszahl verdoppelten sich, der Anteil der Minderheiten an der Gesamtbevölkerung nahm stark zu. Nach Schmitt waren die rumänischen Eliten „am Rande der Überforderung“ und setzten auf Repression und Zentralismus. Die beschleunigte Modernisierung traf das agrarisch geprägte Rumänien unvorbereitet. Dieser Kontext war der ideale Nährboden für radikale und antisemitische Bewegungen.

Schmitt zeichnet die prägenden Jahre und die Radikalisierung Codreanus in Iași (Region Moldau) nach, wo Codreanu sich als charismatischer Studenten‧aktivist hervortat. Am 24. Oktober 1924 erschoss er einen Polizeipräfekten, der zuvor gegen seine Bewegung vorgegangen war. Der Täter wurde in einem Prozess 1925 freigesprochen. Dies und die von Zehntausenden begleitete und als Volksfest inszenierte Hochzeit des „Märchenprinzen“ Codreanu mit Elena Ilinoiu ließen ihn zur „national bekannten Symbolfigur“ aufsteigen.

Codreanu war kein faschistischer Theoretiker. Er hinterließ einige kleinere Schriften, in denen er die klassischen Elemente faschistischer Bewegungen wie Antisemitismus und Antibolschewismus vertrat. Prägend war für ihn auch die Überzeugung eines endzeitlichen Kampfes. 1927 gründete Codreanu die „Legion Erzengel Michael“, die 1930 durch die Sonderorganisation der „Eisernen Garde“ ergänzt wurde. 1931 schaffte er den Sprung ins Parlament. Auch in Bukarest zog er mächtige Männer in seinen Bann, die der „Verführung durch den Legionarismus“ erlagen.

Die „Legion“ wurde zur Massenbewegung. Flügelkämpfe zwischen verschiedenen Fraktionen belegen, dass sie „ein vielstimmiges doktrinäres Gebilde“ war. In dieser Zeit, der zweiten Hälfte der 1930er Jahre, wirkte Codreanu zunehmend entrückt. Er wurde von seinen Anhängern geradezu ikonisiert, war indes entscheidungsschwach. Im Fe‧bruar 1938 ließ der König einen Verfassungsputsch inszenieren. Codreanu wurde festgenommen. Anstatt seine Bewegung zu mobilisieren, zog sich Codreanu auf eine „Haltung völliger Passivität“ zurück. Ende November wurden Codreanu und mehrere seiner Mitstreiter von Gendarmen umgebracht.

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Diese Biographie des Faschistenführers ist eine faszinierende Lektüre. Fragen wirft allerdings Schmitts Aussage am Schluss auf, Codreanu sei „der wohl erfolgreichste Oppositionspolitiker der neueren europäischen Geschichte“ gewesen. Auch über die starke „langfristige Nachwirkung des legionären Aufbruchs“ möchte der Leser gern mehr erfahren. Vielleicht wird Schmitt in einer nächsten Publikation an diese Thesen anknüpfen? Man würde es sich wünschen.

Rezension: Dr. Simon Geissbühler

Schmitt, Oliver Jens
Căpitan Codreanu – Aufstieg und Fall des rumänischen Faschistenführers
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2016, 336 Seiten, Buchpreis € 26,00
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