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Das 20. Jahrhundert als Kollektivbiographie

Konrad H. Jarausch

Das 20. Jahrhundert als Kollektivbiographie

Für sein Buch „Zerrissene Leben“ stellt der deutsch-amerikanische Historiker Konrad H. Jarausch nicht die großen Politiker und ihre Staatsaktionen in den Mittelpunkt, sondern das Schicksal „durchschnittlicher Bürger“ bildet die Grundlage seiner deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Das Leben von über 80 Zeitzeugen, die alle in den 1920er Jahren geboren wurden und Tagebücher oder Memoiren verfassten, entfaltet sich vor den Lesern. Die Vielstimmigkeit soll eine „kollektive Biographie“ ergeben. Dementsprechend hat sich Jarausch um eine möglichst repräsentative Auswahl bemüht; auch zahlreiche Frauen hat er
berücksichtigt.

Einige prominente Personen trifft der Leser an, etwa den Journalisten Joachim Fest, den Historiker Fritz Klein oder die Schriftstellerin und Literaturprofessorin Ruth Klüger. Doch überwiegend lesen wir von den zuvor „Namenlosen“. Das macht dieses Buch wertvoll, ebenso wie die Tatsache, dass Jarausch nicht nur erzählt, sondern auch gewichtet und analysiert. Er weist darauf hin, was in den autobiographischen Berichten verschwiegen wurde, und wirft einen Blick auf die heutige Erinnerungskultur.

Alle Zeitzeugen wurden als Jugendliche von den Erfahrungen während der NS-Zeit geprägt, waren begeisterte Nazis oder Mitläufer, waren als Juden Verfolgte oder entschiedene Hitler-Gegner. Höchst unterschiedlich gestaltete sich das Leben nach dem Krieg, je nachdem, ob man die Nachkriegszeit in BRD oder der DDR bzw. als Emigrant in den USA verbrachte. Allen Leben gemeinsam aber ist der biographische Bruch, verursacht durch die politischen Verwerfungen der Zeit.

Die jungen Männer, der Kindheit in der Weimarer Republik kaum entwachsen, fanden sich nach 1939 als Soldaten wieder. Die Lebensberichte schildern die chaotischen Eindrücke während der Kampfhandlungen, die Erschütterung angesichts des Todes von Kameraden, die Angst, bald selbst getroffen zu werden. Der aus Pommern stammende Horst Andrée wünschte sich:
„… könnte ich doch nur zu Hause sein.“ Die Begeisterung, für den „Endsieg“ zu kämpfen, schlug bald um. Der Berliner Gerhard Baucke wiederum vermerkt ehrlich, dass er sein Leben einem „russischen Kameraden“, einem Kriegsgefangenen, verdankt.

Die Frauen hatten eine ganz andere Realität zu bewältigen. Sie mussten ihre Familie in den späteren Kriegs- und frühen Nachkriegsjahren vor dem Verhungern bewahren, für Kleidung und Unterkunft sorgen. Stark belastet für ihr weiteres Leben waren diejenigen, die Opfer von Vergewaltigungen wurden. Durch die vielen Facetten des Erlebens im und nicht zuletzt nach dem Krieg wird das Buch von Jarausch zu einer bemerkenswerten Lektüre.

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Rezension: Dr. Heike Talkenberger

Konrad H. Jarausch
Zerrissene Leben
Das Jahrhundert unserer Mütter und Väter
wbg Konrad Theiss Verlag, Darmstadt 2018, 455 Seiten, € 29,95

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