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Das Alte Europa 1660–1789 – Kultur der Macht und Macht der Kultur

Blanning, T.C.W.

Das Alte Europa 1660–1789 – Kultur der Macht und Macht der Kultur

Kultur war für Jacob Burckhardt die unheimlichste der drei weltgeschichtlichen Potenzen: gefährlich destruktiv und erhaben konstruktiv zugleich. Der Geist wühlt, zersetzt, bringt zum Einsturz und errichtet neu, doch immer nur vorläufig. Einfügen und damit eingrenzen läßt sich Kultur allenfalls vorübergehend. Gelingt diese Indienststellung, dann strahlen Herrschafts-systeme in vollem ideologischem Glanz, schlägt sie fehl, ist deren Ende nahe.

Von dieser Einbindung, ihren Chancen und Risiken, handelt das Buch des britischen Historikers T. C. W. Blanning. Wo und aus welchen Gründen kommt es im Europa des späten Ancien régime zum Dialog der Macht mit dem Geist, der Herrscher mit den Intellektuellen – oder zu Sprachlosigkeit und wechselseitiger Verdammung? Mit welchen Methoden der Imagebildung, der Öffentlichkeitsbeeinflussung und Selbstdarstellung vermögen Mächtige in dieser Medienschlacht um die moralisch-politische Führung von Nationen die Oberhand zu behalten, während andere ins Hintertreffen geraten und dafür später den Kopf unters Fallbeil legen müssen?

Dieser wahrhaft umfassenden Fragestellung legt der Verfasser das Habermassche Konzept vom „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ zugrunde. Doch mag der Leser unbesorgt sein – Blanning nähert sich seinem Thema nicht mit bleier-ner Diskursschwere, sondern mit der wunderbaren Leichtigkeit eines zugleich inspirierten und erzählungsgesättigten Querschnitts. So kommt das (von Monika Carbe hervorragend übersetzte) Buch fast ohne Theoriebildung aus und verbreitet gerade dadurch vertiefte Nachdenklichkeit – so meisterhaft ausgewählt sind die Geschichten, aus denen mit der Virtuosität der Unaufdringlichkeit Geschichte destilliert wird. Dabei schützt Präzision bis ins Detail, verbunden mit souveräner Distanz, vor weihevoller Geschwätzigkeit, die bei dem Genre der „Europa-Geschichten“ oft genug penetrant hervortritt.

Ob es um Joseph Haydns Komponierverträge auf Schloß Esterházy, Friedrichs II. rabiate Mißbilligung der deutschen Literatur, Lullys Opernmonopol, Tiepolos Eßtisch in Würzburg oder den Arbeitsalltag Josephs II. geht: Alle diese Momentaufnahmen werden wahrhaft erkenntnisfördernd präsentiert. Und in der Zusammenfassung werden nicht „-ismen“ und sonstige Unverträglichkeiten des Wissenschaftsjargons aufgehäuft, sondern Schicksalsanekdoten erzählt, die das Wesentliche nochmals ganz rein hervortreten lassen: War-um die französische Monarchie die Hoheit über die Definition von „Nation“ und damit über deren Denken und Fühlen verliert, während es in England, Preußen und Österreich dem alten Staat gelingt, eher gleitende Übergänge ohne gravierende Machtverluste zu vollziehen.

Rezension: Reinhardt, Volker

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Blanning, T.C.W.
Das Alte Europa 1660–1789 – Kultur der Macht und Macht der Kultur
Primus Verlag, Darmstadt 2005, 560 Seiten, Buchpreis € 39,90
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