Das glaube ich nicht
Wissensbuch des Jahres 2022 in der Kategorie ÄSTHETIK
Solchen Supermodels sind sicher die wenigsten jemals so nah gekommen. Ihre Schönheit ist umwerfend, ihre Natürlichkeit unfassbar, ihre Einzigartigkeit unmittelbar. Was Tim Flach in seinem voluminösen und großformatigen Bildband „Vögel“ präsentiert, ist in dieser Fülle und Detailschärfe wohl noch nie gezeigt worden.
Was haben wir der Blaumeise getan, dass sie uns so grimmig anschaut? Zu welchem Tanz will uns das Bantamhuhn animieren? Oh, Herr Bartgeier, haben wir Sie gestört? Wir kommen nicht umhin, all das und viel mehr in diesen gefiederten Geschöpfen zu sehen, weil die Bilder die Distanz zwischen uns und ihnen für einen Moment auflösen und ein stilles Kommunizieren ermöglichen. Warum schauen Sie denn so traurig, Frau Schleiereule?
Dem Fotografen gelingen solche dialogischen Szenen, weil er seinen Fotomodellen jeden Raum und jede Freiheit gibt. Er zeigt sie uns als Individuen, als charaktervolle Persönlichkeiten, freigestellt vor einem neutralen Hintergrund. Nichts lenkt den Blick und die Zwiesprache mit den Vögeln dieser Welt ab.
Insgesamt 140 Arten hat Tim Flach in mehrjähriger Arbeit – im Studio, in freier Natur und in zahlreichen öffentlichen und privaten Vogelsammlungen – ins Bild gesetzt. Dezent und kenntnisreich eingeleitet werden die einzelnen Kapitel des Buchs durch kurze Texte von Richard O. Prum, Evolutionsornithologe an der Yale University. Und so ist die Bühne bereitet für den großen Auftritt der natürlichsten Supermodels, die die Welt je gesehen hat. Ja, ich bin ja schon still, lieber Andenkondor. Jens Simon
Tim Flach
VÖGEL
Eine fotografische Liebeserklärung in Porträts
Knesebeck, 336 S., € 68,–
ISBN 978–3–957–28529–4
