Mit einem Gegensatz beginnt Christian Meier sein anregendes Buch: Die Erinnerung an die Verbrechen der Nazis, so die weitverbreitete Meinung, dürfe nie verblassen, sonst sei eine Wiederholung der Schrecken der Vergangenheit zu befürchten. Auf der anderen Seite gibt es in der Geschichte immer wieder Beispiele für die Aufforderung, belastende Erinnerungen zu begraben und einen Neuanfang anzustreben, häufig etwa bei Friedensverträgen.
Besonders aufschlussreich sind die Ausführungen Meiers zur Antike: Erste politische Beschlüsse, das vergangene „Schlimme“ zu vergessen, sind im antiken Griechenland seit dem letzten Viertel des 5. Jahrhunderts v. Chr. greifbar; sie sollten die persönliche oder parteiliche Rache an dem besiegten Gegner verhindern. Meier verfolgt das Wechselspiel von Erinnern und Vergessen über Mittelalter, Neuzeit und das Deutschland nach 1945 bis heute. Hier hätte man sich allerdings eine kritische Reflexion über die inzwischen ausufernde „Erinnerungsindustrie“ gewünscht.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger