Das glaube ich nicht
UNTER EINER KULTURGESCHICHTE der Farben kann man sich vieles vorstellen: einen gelehrten Traktat etwa oder einen bunten Katalog. Die Engländerin Victoria Finlay macht eine spannende Reportage daraus. Sie nimmt den Leser mit auf eine Reise, die mehrfach um den Globus führt: auf der Suche nach den Quellen der Pigmente, die irgendwann die Paletten von Künstlern, die Mode reicher Bürger, die Innenarchitektur oder den Alltag mit Farbe bereichert haben. In ihrem Buch geht es um die Glasfenster von Kathedralen und die Trachten mexikanischer Bäuerinnen, um Erfinder und Kunstfälscher, um Purpurschnecken, Mumien, Porzellan und um den Lack von Stradivaris Geigen. Finlay beginnt mit Ocker, Schwarz und Weiß und nimmt sich dann die Farben des Regenbogens von Rot bis Violett vor. Auf der Suche nach dem Ultramarin Michelangelos reiste sie noch zu Zeiten des Taliban-Regimes nach Afghanistan, betrat als erste Frau die Lapislazuli- Minen von Sar-e-Sang und stieg der großen Buddha-Statue von Bamiyan auf den Kopf elf Monate, bevor sie gesprengt wurde. In einem Dorf im indischen Bihar sorgte sie für Gelächter, als sie auf der Suche nach dem Geheimnis des Indisch-Gelb die Landbevölkerung befragte, ob wirklich der Urin von Kühen, die Mangoblätter gefressen haben, dafür verwendet worden sei. Leider endet die Recherche nicht mit einer Auflösung des Rätsels, sondern damit, dass die Autorin in einen quietschgelben Kuhfladen tritt. Fazit: Manchmal siegt die Lust am Reisen und Geschichtenerzählen über die wissenschaftliche Hartnäckigkeit.
Judith Rauch
