Ravensbrück, nördlich von Berlin, war mit 132 000 Inhaftierten eines der größten Frauen-Konzentrationslager des Nationalsozialismus. Eine Fülle von Berichten, Gedichten und Zeichnungen der Betroffenen hat sich erhalten. Barbara Degen lässt anhand dieser Original-Dokumente die Frauen von Ravensbrück zur Sprache kommen und zeichnet ihre spezifische Gedenkkultur nach.
Im KZ Ravensbrück waren vorwiegend Frauen interniert, die sich dem NS-Regime nicht unterordneten. Die ersten und am längsten Inhaftierten waren aktive Kommunistinnen und Sozialdemokratinnen. Dazu kamen etwa 15 bis 20 Prozent Jüdinnen. Besonders hatten es die Nazis auf kommunistische Jüdinnen abgesehen, wie etwa Milena Jesenska. Die tschechische Schriftstellerin und Freundin Kafkas, vereinte beides und überlebte Ravensbrück nicht.
Die inhaftierten Frauen hielten ihr Leid, aber auch Sehnsüchte und Hoffnungen, für die Nachwelt fest. Die Malerin Aat Breur zeichnete Totenbilder ihrer verstorbenen Mithäftlinge, Charlotte Delbo (Schriftstellerin der Résistance) verarbeitete ihren Schmerz in einem Gedicht. Die Totenrituale und Totenklagen halfen den Frauen, sich ihre Menschlichkeit zu bewahren. Das Leben im KZ auf engstem Raum war nicht frei von Spannungen. Dennoch entstanden in der Gemeinschaft Freundschaften, es gab „Lagermütter“, die ihre „Lagerkinder“ umsorgten. Von den Aufseherinnen wird ein differenziertes Bild gezeichnet; sie waren nicht alle „Bestien“.
Barbara Degen verfolgt auch den weiteren Lebensweg der Frauen. Zum Beispiel Lagergemeinschaften, die über die Zeit im KZ hinausgingen sowie das Engagement der ehemaligen Häftlinge für eine Mahn- und Gedenkstätte. Das liebevoll gestaltete Buch zeigt, dass trotz menschenunwürdigster Lebensumstände Menschlichkeit und Solidarität in einem KZ möglich waren.
Rezension: Natalie Reinsch