Dass es in Europa ein „Konfessionelles Zeitalter“ gegeben habe, scheint klar zu sein – umstritten ist jedoch die zeitliche Eingrenzung. Als der Kölner Historiker und Theologe Harm Klueting 1989 ein Werk mit dem Titel „Das Konfessionelle Zeitalter“ veröffentlichte, setzte er die Jahresangaben „1525 –1648“ hinzu. Das entsprach der üblichen Eingrenzung auf die Phase zwischen dem Ausgang des Bauernkriegs und dem Abschluss des Westfälischen Friedens.
In seiner jetzt vorgelegten, wesentlich stärker die europäischen Zusammenhänge betonenden Darstellung greift Klueting dagegen bis zu den kirchlichen Reformbestrebungen im 14. Jahrhundert zurück. Die Nachwirkungen des „Konfessionellen Zeitalters“ verfolgt er sogar bis ins 18. Jahrhundert, das zumindest in Deutschland seine theologisch-kirchliche Prägung behielt. Der Darstellung kommt dieser breitere Zugriff zugute, kann doch der Leser nun viel deutlicher erkennen, worin das eigentlich Neue der Reformation bestand und welche tiefgreifenden Konsequenzen die Politisierung und Militarisierung der konfessionellen Gegensätze für ganz Europa zur Folge hatte.
Kluetings monumentales Geschichtswerk kann mit Fug und Recht als großer Wurf bezeichnet werden. Der Autor versteht es meisterhaft, Kirchengeschichte und allgemeine Geschichte zu verbinden und so dem Leser anschaulich zu machen, wie eng Religion und Politik, Kirche und Staat vor allem im 16. und 17. Jahrhundert miteinander verzahnt waren. Ob er Luthers Theolo‧gie vorstellt, die Bürgerkriege in Frankreich verfolgt, den Aufstieg des Jesuitenordens erklärt oder die Herausforderung der Kirche durch die neuen Naturwissenschaften erläutert – stets vermag Klueting den Leser durch seine Anschaulichkeit und klare Gedankenführung zu fesseln.
Das Buch bietet dabei nicht nur einen souveränen Überblick. Es zeigt auch die vielen Verästelungen einer langen Forschungsdebatte auf, die ihrerseits bemerkenswerte Einblicke in die Befindlichkeiten des 19. und 20. Jahrhunderts erlauben. Gewiss, auch bei Klueting ist manche Gewichtung diskutierbar. Warum der frühen Reformbewegung des 1415 in Konstanz verbrannten Jan Hus beispielsweise nicht mehr Platz eingeräumt wurde, ist nicht einsichtig. Und ein längerer Blick ins östliche Europa hätte gezeigt, dass sich Irenik und Toleranz während des 18. Jahrhunderts in Teilen des Kontinents erst mit langer Verzögerung durchsetzten: In Ungarn konnte ein katholischer Bischof beispielsweise noch 1750 in einem Druckwerk ganz offen fordern, die Lutheraner als Häretiker zu verbrennen.
Aber solche Bemerkungen sind letztlich belanglos angesichts der Stärken dieses klugen und wichtigen Buches, das zudem mit größter Sorgfalt hergestellt worden ist und bis zum Anhang mit Zeittafel, Literaturverzeichnis und Register zu überzeugen vermag.
Rezension: Bahlcke, Joachim