Welche Einstellung hatte man im Mittelalter zum Lachen? Welche Funktion kam ihm in der mittelalterlichen Gesellschaft zu? Dieser Frage widmet sich der französische Historiker Jacques Le Goff, Begründer der „Nouvelle histoire“, die die Mentalitätsge?schichte auf ihr Panier geschrieben hat. Lachen, könnte man meinen, sei eine anthropologische Kon?stante, doch weit gefehlt: Lachen ist ein kulturelles und soziales Phänomen: Wie, mit wem und warum gelacht wird, ändert sich je nach dem Kontext. Und daß es nicht nur positiv gewertet wurde, daran wird sich derjenige erinnern, der den Roman „Der Name der Rose“ von Umberto Eco gelesen hat. Denn hier ist die verloren geglaubte Schrift des Aristoteles über das „Lachen“ der Grund für zahlreiche Morde … Ausgehend von dem Problem, ob Christus wohl gelacht habe, und der biblischen Überlie?ferung, zeigt Le Goff, daß es zwei sich widersprechende Deutungstraditionen zum Gelächter in der mittelalterlichen Kirche gab: Lehnte die eine Lehrmeinung das Lachen grundsätzlich als niedere Tätigkeit ab (was vielfach Eingang in die Ordensregeln fand), sah es die andere ge?rade als eine genuin menschliche Fähigkeit an, die den Menschen vom Tier unterscheide, und schätzte es deshalb positiv ein. Weiter untersucht Le Goff das Lachen als Mittel der Kommunikation und des sozialen Zusammenhalts. Er führt so den Leser durch die Betrachtung eines anscheinend beiläufigen Phänomens zu einem vertieften Verständnis des Mittelalters.
Rezension: Talkenberger, Heike