Wer Szpiros Buch gelesen hat, weiß nicht nur, was die Frage in Normalsprache übersetzt bedeutet und wie ihre Antwort lautet, er hat auch einen 100 Jahre währenden Mathe-Krimi miterlebt und sich mitgefreut, dass ein russischer Sonderling am Ende die passende Lösung präsentiert und allen dabei die lange Nase zeigt.
Was Szpiro aufgeschrieben hat, ist die Geschichte eines der größten mathematischen Rätsel des vergangenen Jahrhunderts. 1904 hatte es der Franzose Henri Poincaré formuliert, um das Aussehen des Universums zu hinterfragen. Und bis vor sechs Jahren hatten sich Heerscharen hochdekorierter Mathematiker daran die Zähne ausgebissen. Damals stellte der bis dahin gänzlich unbekannte und bis heute geheimnisvolle russische Mathematiker Grigory Perelman unkommentiert die richtige Antwort samt Erklärung ins Internet.
Diesen historischen Wettlauf, viele Geschichten drum herum und nicht zuletzt die Mathematik hinter der Poincaré-Vermutung erzählt Szpiro so frisch, bildhaft, formelfrei und unverkrampft, dass es eine wahre Freude ist. Mit dem einzigen Nachteil, dass Szpiro das russische Genie Perelman nie gesehen hat, geht er sehr gelungen um: Er versucht erst gar kein Psychogramm des sonderbaren Mathematikers, sondern beschreibt lieber die Sache und zeigt auch die Hoffnungen, Ideen und Enttäuschungen vieler anderer berühmter Wissenschaftler, die sich ein Leben lang erfolglos mit der so hölzern scheinenden Vermutung beschäftigt haben.
Das Poincaré-Abenteuer ist ein Mathe-Buch zum Schmökern. Und das ist wirklich selten.
Tobias Beck