Es gibt zahlreiche Studien zu und Autobiographien von deutschen kommunistischen Emigrantinnen und Emigranten in der „Menschenfalle Moskau“ in den 1930er Jahren, ebenso zum stalinistischen „Großen Terror“ 1937/38, dem sie zum Opfer fielen, und dem Aufbau der DDR nach stalinistischem Modell. Insofern sind die Schilderungen des Publizisten Andreas Petersen über das „Stalintrauma der DDR“ nicht neu.
Doch ihm geht es darum, möglichst viele dieser Schicksale zusammenzutragen und damit ein Stück Erinnerungsarbeit für diejenigen zu leisten, die in der DDR zum Schweigen verurteilt waren, weil die Erfahrung von Haft, Folter, Erschießung und Arbeitslager in der UdSSR nicht zum DDR-Mythos vom „Gelobten Land“ passte.
Die vier Kapitel beginnen jeweils mit der ausführlichen Schilderung eines Emigranten-Schicksals, dann schildert Petersen Flucht und Exil in den 1930er Jahren, den „Großen Terror“, den Hitler-Stalin-Pakt und den Zweiten Weltkrieg, die Rückkehr aus Moskau und den Aufbau der DDR bis zu Stalins Tod 1953 sowie schließlich das daraus entstandene Trauma und das allseitige Schweigen. Aber auch die chronologische Erzählung wird immer wieder vom Leid weiterer Familien durchbrochen. So entsteht ein sehr düsteres, beklemmendes Bild vom Dauerterror, dem diese Flüchtlinge in Stalins Hand ausgeliefert waren.
Die Kapitelüberschriften („Machtraum und Albtraum“, „Schizophrenie-Diktat“) und Petersens Sprache machen deutlich, dass es weniger um Analyse und Abwägungen als um die Dramatisierung von Fakten geht. Den Terror überlebten nur jene, die an Stalins Seite die eigenen Genossen ans Messer lieferten. Selbst im Spanischen Bürgerkrieg und im Konzentrationslager bauten die deutschen Stalinisten ein Terrornetz auf; nach Deutschland zurückkehren durften nur jene, die sich als Stalins willige Vollstrecker bewährt hatten. Alles musste in der Sowjetisch Besetzten Zone genau nach sowjetischem Vorbild und klarer Regieanweisung Stalins aufgebaut werden – selbst ein großer Schauprozess und eine antisemitische Kampagne waren geplant.
Nicht weniger entscheidend als das Moskauer Diktat, so Petersen, war aber das große Schweigen: der Opfer, um zu überleben und weil man sie dazu zwang, um die Täter-Karrieren und die Mär von der wunderbaren UdSSR nicht zu gefährden. Aber auch die Täter schwiegen: aus Scham, aus Uneinsichtigkeit, aus Parteidisziplin und Staatsräson. Es ist schade, dass dieses Buch so plakativ geschrieben ist und kaum nach Ursachen, Mechanismen und Langzeitfolgen fragt.
Rezension: Prof. Dr. Susanne Schattenberg
Andreas Petersen
Die Moskauer
Wie das Stalintrauma die DDR prägte
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2019, 368 Seiten, € 24,–.