Kreuzzugsforschung hat Konjunktur. Jetzt eröffnet das Buch von Paul M. Cobb, Professor für Islamische Geschichte an der University of Pennsylvania, neue Perspektiven. Er verlässt westliche Erzählmuster und folgt allein der arabischen Geschichtsschreibung über die Expansion der lateinischen Christenheit. Aus diesen mittelalterlichen Berichten gelingen interessante Deutungen der blutigen Konfrontationen zwischen Christen und Muslimen vom 11. bis zum 15. Jahrhundert.
Die westliche Geschichtsschreibung ließ die Kreuzzüge mit dem Aufruf Papst Urbans II. 1095 in Clermont(-Ferrand) beginnen und zählte das Unternehmen zur Einnahme Jerusalems 1099 durch fränkische Heere als Ersten Kreuzzug. Ein Ende wurde zumeist im Jahr 1291 gesetzt, als die Mamluken die letzte verbliebene Kreuzfahrer-Festung Akkon eroberten. Arabische Quellen dagegen liefern mit anderen Zäsuren eine unterschiedliche Deutung. Die muslimischen Chronisten wussten von den christlichen Feinden ähnlich wenig wie ihre lateinisch schreibenden Zeitgenossen von ihnen. Hier wie dort zeichneten Ignoranz, Missverständnisse und Phantasie die Bilder vom anderen. So konnten die Muslime die päpstliche Deutungsmacht über die Kreuzzüge nicht angemessen begreifen. Über die Unsauberkeit oder Unreinheit der Christen staunten sie nicht schlecht. Der muslimische Herrscher von Sevilla soll gesagt haben: „Besser Kamele weiden lassen als Schweine hüten.“
Anders als die auf Jerusalem und Palästina fixierten lateinischen Quellen ließen arabische Chroniken die Konflikte früher beginnen, nämlich mit der normannischen Eroberung Siziliens (1060 –1071), und später enden, nämlich mit der christlichen Eroberung Granadas in Spanien 1492. Aus islamischer Sicht startete die christliche Aggression also in der Mitte des Mittelmeers und vollendete sich im Westen, beides weit weg von Palästina.
Solche unterschiedlichen Entwürfe zeigen, wie sehr mittelalterliche Christen und Muslime aneinander vorbei dachten und kämpften, selbst wenn sie zeitweise zusammen lebten oder handelten. Im heiligen Krieg der Christen oder im Dschihad der Muslime entstanden gefährliche Verlockungen. Beim Kampf gegen Andersgläubige hoffte man auf himmlische Glückseligkeit.
Die Ebstorfer Weltkarte (um 1300) trug das Paradies als Ursprung der Menschheitsge-schichte hinter einer Feuerwand im Osten von Indien ein. Diese Weltgegend zog im Mittelalter kaum Reisende aus dem Westen an. Geblutet wurde vielmehr rund ums Mittelmeer. Hier dachten sich viele Christen und Muslime, dass ihr Morden und Sterben für Gott eine gute Jenseitsvorsorge sein könnte.
Rezension: Prof. Dr. Bernd Schneidmüller