Der Nahe Osten hat gerade in den letzten Monaten einmal mehr die westlichen Medien in bedrückender Weise beherrscht. Permanente Spannungen und blutige Konflikte scheinen zur Zeit das Hauptcharakteristikum der Region zwischen Mittelmeer und Zweistromland zu sein, die – als „fruchtbarer Halbmond“ bekannt – im Altertum zu den bedeutsamsten und kulturell produktivsten geographischen Großräumen gehörte.
Der Historiker Michael Sommer projiziert nicht die aktuellen Konfliktlinien linear in die Vergangenheit zurück, wenngleich er zu Recht darauf verweist, daß der heutige Nahe Osten auch schon in der Antike immer wieder Schauplatz schwerer Auseinandersetzungen gewesen ist. Sein Buch über die römischen Orientprovinzen, die einst Gebiete der heutigen Staaten Syrien, Libanon, Irak, Jordanien und Israel umfaßten, bettet die Geschichte der Region behutsam in größere Zusammenhänge ein. Sein historischer Abriß erstreckt sich von Alexanders Eroberungen und der Gründung des Seleukidenreichs bis in das 3. bzw. 4. Jahrhundert n. Chr. Kurze, einführende Skizzen zu den naturräumlichen Bedingungen und den Folgen menschlicher Besiedlung, zu Nomadentum, Seßhaftigkeit, Stammesordnungen und Staatlichkeit sowie zu den „Urbanen Revolutionen“ runden die gelungene Darstellung ab.
Insbesondere das letzte Kapitel zu den Städten der Region verdient dabei hervorgehoben zu werden; es schlägt den Bogen von der „orientalischen Stadt“ (um 3000 v.Chr.) über die hellenistischen Stadtgründungen bis in die römische Zeit. Vor allem am Beispiel Palmyras wird aufgezeigt, wie verschiedene kulturelle Einflüsse, denen die Region stets ausgesetzt war, sich in unterschiedlichen Akkulturationsprozessen zu spezifisch Eigenem verdichten konnten, ohne daß dabei die alten Traditionen vollständig aufgegeben werden mußten.
Sommer hebt die Vielgestaltigkeit der Region hervor, der es trotz wiederholter Anpassungszwänge gelungen sei, eigene Identitätsmuster zu bewahren. Daß der Autor dabei mitunter allzuoft das Begriffsreservoir aktueller kulturhistorischer Debatten bemüht und einem breiten Leserkreis dabei vieles unnötig verdunkelt, schmälert kaum den Wert dieses Buchs, das auch aufgrund seiner hervorragenden Fotos und Karten besticht.
Rezension: Meier, Mischa