Wir wollen unseres Daseins Sinn verkünden: Uns hat der Krieg behütet für den Krieg.“ In diesen Gedichtzeilen, geschrieben im Jahr 1929, machte Baldur von Schirach deutlich, in welcher Form die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg die Mobilisierung für einen zweiten Weltkrieg antrieb.
Im Jahr 1907 geboren, hatte von Schirach den Ersten Weltkrieg selbst vor allem anhand der Landkarten im Klassenzimmer verfolgt, die vom Vormarsch deutscher Truppen in Ost und West kündeten. Als Führer der Hitlerjugend (HJ) seit 1931 und dann als „Reichsjugendführer“ seit 1933 schwor von Schirach die männliche Jugend auf eine Glorifizierung des „Opfers“ der gefallenen Weltkriegssoldaten ein. Darin manifestierte sich auch ein Generationenkonflikt, in dem die Jugendlichen den „Geist der Feldgrauen“ gegen die überlebenden Kriegsveteranen anführten. Das war nicht zuletzt eine Wende gegen die konservativen Soldatenverbände wie den „Stahlhelm“ und den „Kyffhäuserbund“, die bis 1933 die Kriegserinnerung im nationalen Lager dominierten.
Wie Arndt Weinrich in seiner Studie zeigt, blieb die kollektive Beschwörung des Heldenmutes der Soldaten von 1914 bis 1918 allerdings keine exklusive Domäne der HJ und des nationalsozialistischen Studentenverbandes. Ein heroisierendes Gefallenengedenken war vielmehr, so sein Argument, Gemeingut praktisch aller Jugendverbände in der Weimarer Republik, vom „Wandervogel“ und anderen bürgerlichen Jugendgruppen über die katholischen Jugendlichen bis hin zum sozialdemokratischen „Jungbanner“. Das ist, vor allem im Hinblick auf das „Jungbanner“, eine stark überzogene These, die durch die benutzten Quellen nicht gedeckt ist. Weinrich macht aber auf eindringliche Weise deutlich, in welch hohem Maß die organisierte männliche Jugend von 1918 bis 1940 ihre Jugendlichkeit auslebte, indem sie die Gefallenen des Großen Krieges als unbedingte Vorbilder für ihr Handeln stilisierte.
Rezension: Prof. Dr. Benjamin Ziemann