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Deutsch-französische Verständigung

Joseph Breitbach/Jean Schlumberger

Deutsch-französische Verständigung

dam0918bue02.jpg„Man hätte es von allen Dächern rufen sollen“ – so bricht es im Juli 1940 aus Joseph Breitbach heraus. Der Schriftsteller aus Koblenz hatte längst aus Protest gegen die Diktatur Hitlers seinen Pass zurückgegeben und um die französische Staatsangehörigkeit gebeten, die ihm trotz der Empfehlung des Schriftstellers André
Gide allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg zuteilwurde. Auch wenn Frankreich seine Wahlheimat war – Breitbach wurde nicht müde, sich gegen die Blindheit, wenn nicht Verstocktheit Frankreichs gegenüber den Realitäten in Deutschland zu wenden. Dies betraf sowohl die Zeit des Nationalsozialismus als auch die der jungen Bundesrepublik.

Er stieß damit früh auf ein offenes Ohr bei dem französischen Schriftsteller Jean Schlumberger, den die Impulsivität des 26 Jahre jüngeren Deutschen mit neuer Lebenslust erfüllte. Von Breitbach ließ sich Schlumberger, der 1909 die für ihren liberalen Geist berühmte Kulturzeitschrift „Nouvelle Revue Française“ gegründet hatte, in den 1930er Jahren aus dem Elfenbeinturm herauslocken. Bis zu seinem Tod 1968 verfasste er Artikel für Tageszeitungen, darunter „Le Figaro“, namentlich über die Fallstricke beim Aufbau der deutsch-französischen Beziehungen. Wie er offen bekannte, verdankten sie sich den Gesprächen mit Breitbach.

Wenn man die wenigen Bilder betrachtet, auf denen Schlumberger und Breitbach zusammen abgebildet sind, lassen sich kaum größere Gegensätze vorstellen. Auf der einen Seite ein in einen eleganten Anzug gekleideter älterer Herr mit fein geschnittenem Gesicht; auf der anderen ein robuster Mann in kurzärmeligem, offenem Hemd und Shorts. Allenfalls ihre Blicke verraten wohl etwas von ihrer großen Vertrautheit. Die Anredeformen „mon Spatz“ oder „mon cher boy“ künden von der starken physisch-psychischen Attraktion, die bald zu dem Bedürfnis wurde, sich täglich – notfalls telefonisch – über vieles auszutauschen: über die deutsch-französische Freund- oder Feindschaft, über die Verhältnisse und die Politiker vor
allem in Frankreich, über Besonderheiten ihrer Sprachen, das Romanschreiben und immer wieder über die Ängste und Krankheiten, die sie jeweils umeinander zittern ließen. Breitbach signiert gelegentlich als „spatz“, seinen Freund nennt er dagegen kurz „cher“ oder „patercule“. Dessen väterliche Zärtlichkeit gab ihm seelisch wie geistig Halt.

Die Lektüre des Briefwechsels seit 1940 – aus Angst vor der Gestapo hatten die Freunde ihre frühen Briefe verbrannt – ist nicht nur aus dokumentarischen und menschlichen Gründen ein Gewinn. Der Band kommt zudem zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt. Es ist anrührend und ermunternd zugleich, mitzuerleben, wie sich ein Franzose und ein Deutscher von den starken nationalistischen Feindseligkeiten in beiden Ländern nicht entmutigen lassen und einen europäischen Geist beschwören, in dem die Vielfalt der Kulturen bewahrt und füreinander fruchtbar gemacht wird, wie sie nicht nachlassen, ideologischen Fanatismen – rechts wie links – die Stirn zu bieten oder wohlvertraute Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen.

Rezension: Prof. Dr. Franziska Meier

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Joseph Breitbach/Jean Schlumberger
Man hätte es von allen Dächern rufen sollen
Briefwechsel 1940 –1968
Hrsg. von Alexandra Plattenberg und Wolfgang Mettmann
Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2018, 636 Seiten, € 48,–

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