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Deutsche Besatzer in Paris

Bernd Wegner

Deutsche Besatzer in Paris

Zu Beginn des Westfeldzugs am 10. Mai 1940 hätte niemand erwartet, dass deutsche Soldaten nur fünf Wochen später über die Avenue Foch in Paris als Sieger paradieren würden. Mit dem Waffenstillstand begann am 22. Juni eine vier Jahre währende Besatzung. Die Entbehrungen und das Leiden der Pariser Bevölkerung während der „Années noires“ sind gut erforscht. Zur deutschen Sicht auf den Besatzungsalltag hingegen gibt es kaum Untersuchungen.

Bernd Wegner schließt diese Lücke. Von der Euphorie nach dem überraschenden Zusammenbruch Frankreichs über die Inbesitznahme der Stadt und das Aufeinanderprallen zweier entgegengesetzter Lebensauffassungen, die Zeit der Anpassung und der Koexistenz bzw. des aufkeimenden Widerstands bis hin zur Befreiung im August 1944 schildert er Paris aus der Sicht der Besatzer. Als Quellen dienen ihm – neben den immer wieder zitierten Tagebüchern von Ernst Jünger oder Felix Hartlaub – private Aufzeichnungen, Fotos, Feldpostbriefe und Memoiren.

Zwischen 1940 und 1944 nutzten nicht nur deutsche Soldaten auf dem Weg zum oder von ihrem Einsatz in Frankreich die Gelegenheit zu einem Besuch der Stadt, sondern auch zahlreiche Zivilisten – Angehörige di-verser Behörden und Parteiorganisationen ebenso wie der in Frankreich vertretenen deutschen Firmen. Wie viele dieser „Kriegstouristen“ Paris zusätzlich zu den etwa 15 000 dort eingesetzten Verwaltungsangestellten und Soldaten bevölkerten, wissen wir nicht, ihre Zahl ging aber sicher in die Hunderttausende.

Der Kommandant von Groß-Paris richtete für sie eine Dienststelle ein, die für Unterbringung und Verpflegung ebenso zu sorgen hatte wie für kulturelle Angebote und ein breites Unterhaltungsprogramm bis hin zu Informationen über das Nachtleben. Unter dem Titel „Wohin in Paris“ wurde ein Programmheft herausgegeben, das alle 14 Tage über Restaurants, Film- und Theatervorführungen, Konzerte und Revuen bis hin zu den von der Wehrmacht kontrollierten Bordellen informierte. Am Beispiel der offenen Werbung für Konzerte mit dem in Deutschland verfemten Sinto Django Reinhardt verdeutlicht Wegner die Sonderrolle, die die Deutschen Paris in dieser Hinsicht über die gesamte Kriegszeit zugestanden.

Ein Aspekt, dem Wegner viel Aufmerksamkeit widmet, betrifft die Rolle der Frauen in Kriegszeiten. Auf deutscher Seite nutzten viele, meist junge Frauen die Meldung zum freiwilligen Kriegseinsatz beim Roten Kreuz, der NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) oder als Wehrmachthelferin, um sich der ihnen vom NS-Regime zugedachten Rolle als Mutter und Hausfrau zu entziehen. Für viele Französinnen wiederum eröffnete die Arbeit für die Deutschen die Chance für ein Auskommen für sich und ihre Familie. Dies traf besonders dann zu, wenn sich der Mann in Kriegsgefangenschaft befand.

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Anhand prominenter und weniger prominenter Beispiele verdeutlicht Wegner auch die Problematik zwischenmenschlicher Beziehungen während des Kriegs und danach. Die Forschung geht allerdings anstelle der von ihm genannten 200 000 Besatzungskinder inzwischen von etwa 70 000 Betroffenen aus.

Zu Beginn hätte man sich Angaben zur Höhe des Wehrsoldes und der im Waffenstillstand zu Lasten des Francs überbewerteten Reichsmark gewünscht, um die ökonomische Situation der Deutschen in Paris zu verdeutlichen. Doch das soll das Verdienst Bernd Wegners nicht schmälern. Er gewährt wichtige Einblicke in die Sicht der deutschen Besatzer auf Paris und ihr Verhältnis zu Französinnen und Franzosen. Es bleibt zu hoffen, dass der deutschen bald auch eine französische Ausgabe folgt.

Rezension: Dr. Stefan Martens

Bernd Wegner
Das deutsche Paris
Der Blick der Besatzer 1940 – 1944
Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2019, 259 Seiten, € 39,90.

 

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