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Deutschland, jüdisch Heimatland – Die Geschichte der deutschen Juden vom Kaiserreich bis heute

Wolffsohn, Michael/Brechenmacher, Thomas

Deutschland, jüdisch Heimatland – Die Geschichte der deutschen Juden vom Kaiserreich bis heute

Während der letzten Jahre und Jahrzehnte hat die neuzeitliche deutsch-jüdische Historiographie als Teildisziplin der allgemeinen Geschichtswissenschaft eine beachtliche Entwicklung genommen. Eine Fülle von Forschungsarbeiten liegt im Druck vor, durch die ein immer facettenreicheres Bild von der wechselvollen Vergangenheit der in Deutschland beheimateten Juden entsteht. Zudem sind epochenübergreifende Gesamtdarstellungen erschienen, die den momentanen Kenntnisstand zu bündeln suchen.

Die Historiker Michael Wolffsohn (Universität der Bundeswehr München) und Thomas Brechenmacher (Universität Potsdam) haben nun ein weiteres Buch zur deutsch-jüdischen Vergangenheit vorgelegt, das mit manchen narrativen Konventionen bricht, in methodischer Hinsicht ungewöhnlich ist sowie in den Ergebnissen in eine neue Richtung weist.

Angelehnt an die historische Demoskopie, unternimmt es das Buch über weite Strecken, die Vornamen der deutschen Jüdinnen und Juden zu untersuchen, um aus ihnen Rückschlüsse auf Orientierungen, Mentalitäten und Identitäten zu ziehen. Wer sich als Leserin oder Leser einen umfassenden Überblick über die deutsch-jüdische Geschichte seit dem Kaiserreich bis in die heutige Zeit verschaffen will, mag also enttäuscht werden.

Anregend ist das Buch aber allemal, zumal die Autoren sich nicht scheuen, ihre Er‧gebnisse zugespitzt zu präsentieren. Kernthese der Untersu-chung ist, dass die deutschen Juden im 19. und frühen 20. Jahrhundert einen Kurs der jüdischen Selbstverleugnung, der ebenso selbstgewählten wie von außen geforderten „Dejudaisierung“, beschritten hätten. Dem religiösen und kulturellen „Selbstmord“, der trotzdem nicht die erhoffte Integration in die nicht-jüdische Gesellschaft bewirkte, sei dann der reale Mord an sechs Millionen Juden gefolgt. Erst nach der Schoah, so das Fazit, habe sich eine Rückbesinnung vollzogen, die bis in die Gegenwart reicht. Folgt man der Argumentation, dann ist also erstmals seit der Emanzipation ein deutsches Judentum entstanden, das sich nicht selbst verleugnet, sondern „stolz als Judentum auftritt“.

Unbeschadet der Originalität seiner Beweisführung hinterlässt das Buch Zweifel, ob die Geschichte der deutschen Juden in der Tat einen solch linearen Verlauf genommen hat. Die mitunter holzschnittartige Darstellung und Interpretation mögen der besonderen Methode geschuldet sein, doch stehen sie im Widerspruch zu anderen jüngeren Forschungsarbeiten, die die deutsch-jüdische Vergangenheit in ihrer dialektischen Vielschichtigkeit rekonstruieren. Nicht zu bestreiten ist, dass die Entscheidung jüdischer Eltern für bestimmte (jüdische oder nicht-jüdische) Vornamen Rückschlüsse auf die „öffentliche Meinung“ erlaubt, doch bedarf es in jedem Fall einer behutsamen Interpretation, um die Aussagekraft solcher Indikatoren zu bemessen.

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Rezension: Brämer, Andreas

Wolffsohn, Michael/Brechenmacher, Thomas
Deutschland, jüdisch Heimatland – Die Geschichte der deutschen Juden vom Kaiserreich bis heute
Piper Verlag, München/Zürich 2008, 366 Seiten, Buchpreis € 22,90
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