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Deutschland und „seine“ Kroaten – Vom Ustaša-Faschismus zu Tudjmans Nationalismus

Schiller, Ulrich

Deutschland und „seine“ Kroaten – Vom Ustaša-Faschismus zu Tudjmans Nationalismus

Die Brutalität der serbischen Kriegsverbrechen unter Slobodan Milošević dominierte die Berichterstattung und damit die öffentliche Wahrnehmung; die Kroaten erschienen dagegen meist in der Opferrolle. Ulrich Schiller, ehemaliger ARD-Korrespondent in Belgrad, fordert dazu auf, sich von dieser einseitigen Schuldzuweisung zu lösen und mahnt gleichzeitig eine erhebliche deutsche Mitverantwortung an. In einer zeitlich weitgespannten Darstellung richtet der Autor den Blick auf einen schwierigen Abschnitt südosteuropäischer Nachkriegsgeschichte, der weitgehend unberücksichtigt geblieben ist.

Ausgangspunkt des Buches ist ein kleines Dorf in Herzogowina. Als Slawistikstudent trifft Ulrich Schiller dort im Jahr 1953 auf seinen serbischen Austauschpartner Novica. Eines Tages erzählt Novica ihm von der Ermordung seiner Mutter in dem Konzentrationslager Jasenovac, das als Synonym für den Völkermord der kroatisch-faschistischen Ustaša an tausenden Serben, Juden und Roma steht. Nachdem am 10. April 1941die Wehrmacht in Zagreb einmarschiert war, hatte die Ustaša unter Führung von Ante Pavelić mit deutscher Unterstützung den „Unabhängigen Staat Kroatien“ gegründet. Eine Zeit der Unterdrückung, Verfolgung und des Mordens begann, für die Hitler und Mussolini Vorbild und treibende Kraft zugleich waren. Erst viele Jahrzehnte später erfährt Schiller, dass auch die Brüder Novicas Opfer der Ustaša geworden sind.

„Es war Nazi-Deutschland, das Kroatien in die Terrorherrschaft der Ustaša gestürzt hat, das ist unumstritten“ formuliert Schiller die oft vergessene Beteiligung der Deutschen an diesen Geschehnissen der Balkangeschichte in provokanter Klarheit. Gerade deshalb sieht er die Deutschen in der Verantwortung, ihren Teil zu einer bislang vernachlässigten Aufklärung und Wiedergutmachung zu leisten. Nachdem in der Ära Tito eine Aufarbeitung der Vergangenheit versäumt wurde, war es besonders Franjo Tudjman, Präsident des neuen unabhängigen Kroatien, der zu Beginn der 90er Jahre durch einen radikalen Nationalismus die Gedanken der Ustaša-Herrschaft wiederbelebte und eine endgültige Trennung von Serbien anstrebte. Der faschistische Ustaša-Staat lasse das Bedürfnis der kroatischen Bevölkerung nach Unabhängigkeit erkennen, so Tudjman. Was im 2. Weltkrieg begonnen hatte, konnte sich so in den jugoslawischen Zerfallskriegen der Jahre 1991-1995 fortsetzen. Dem Autor gelingt es auf erhellende Weise, dem Leser Hintergründe und Zusammenhänge der komplexen Balkangeschichte ein Stück näherzubringen. Schiller beschränkt sich dabei nicht auf eine nüchtern sachliche Rekonstruktion der Balkankrisen, sondern benennt in aller Deutlichkeit die Verantwortlichen einer Politik, die in den Kriegen der 90-er Jahre mündete. Der Weg in ein geeintes Europa sei nur bei einer gründlichen Aufarbeitung der Vergangenheit möglich; hier habe Kroatien noch erheblichen Nachholbedarf.

Rezension: Benedikt Boyxen

Schiller, Ulrich
Deutschland und „seine“ Kroaten – Vom Ustaša-Faschismus zu Tudjmans Nationalismus
Donat Verlag, Bremen 2010, 228 Seiten, Buchpreis € 14,80
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