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Die Anwälte – Ströbele, Mahler, Schily – Eine deutsche Geschichte

Block, Martin/Schulz, Birgit

Die Anwälte – Ströbele, Mahler, Schily – Eine deutsche Geschichte

Vor 40 Jahren waren sie Kollegen, traten in denselben Prozessen als Verteidiger auf und arbeiteten zum Teil in ein und derselben Kanzlei miteinander. Doch mit der Entscheidung des einen der drei, seine Robe an den Nagel zu hängen, in den Untergrund zu gehen und zusammen mit anderen die RAF (Rote Armee Fraktion) zu gründen, begann etwas, was man wohl als Entdreiung bezeichnen müsste. Zunächst verteidigte der eine (Otto Schily) noch den anderen (Horst Mahler), während der Dritte im Bunde (Hans-Christian Ströbele) seinen eigenen Weg als RAF-Anwalt suchte.

Spätestens 30 Jahre nach „68“ war klar, dass sich die drei wohl endgültig auseinander- gelebt hatten. Man schrieb das Jahr 1998. Die rot-grüne Regierung war gebildet worden: Schily nahm als Bundesinnenminister am Kabinettstisch Platz, Ströbele kam als Abgeordneter der Grünen in den Bundestag, und Mahler outete sich als Neofaschist und versucht sich seitdem als Herold der neuen Rechten zu etablieren. Die Biographien der drei prominenten Rechtsanwälte, die zunächst so viele Parallelen aufwiesen, hätten wohl kaum unterschiedlicher ausfallen können.

Es war klar, dass in der Geschichte dieser drei Protago-nisten der Stoff für ein ganz eigenes gesellschaftspolitisches Drama steckte. Kaum jemand glaubte daran, dass es gelingen könnte, die drei Kontrahenten vor ein Mikrofon oder gar eine Kamera zu bringen. Doch genau das gelang – wenn auch nur getrennt voneinander – der Dokumentar‧filmerin Birgit Schulz. Sie schaffte es, von allen dreien das Einverständnis zu bekommen, sie wechselseitig zu ihren politischen Biographien befragen zu dürfen.

Nachdem der bemerkenswerte Film in den Kinos zu sehen war, liegt nun das Buch vor. Um es gleich vorwegzunehmen – es ist mehr, sehr viel mehr als ein bloßer Nachtrag zum Film. Die Dreifachbiographie ist gut recherchiert, stellt die Protagonisten in ihren jeweiligen zeithistorischen Kontext und kann insofern durchaus auf eigenen Beinen stehen. Wer sich auf diesen Stoff einlässt, der erhält nicht nur Einblicke in die Gemütsverfassung jener drei Ex-Anwälte. Er kann sich auf eine Zeitreise durch vier, gar fünf Jahrzehnte Bundesrepublik begeben – mit den entsprechenden Fliehkräften.

Synchron werden die soziale Herkunft und Kindheit, die juristische Ausbildung und die Berufsperspektiven der drei geschildert, die dann in den Strudel der Studentenbewegung und der außerparlamentarischen Opposition gerieten. Je häufiger es zu Konflikten mit Staat und Justiz kam, umso stärker waren Anwälte gefragt, die sogenannte Demonstrationsstraftäter vor Gericht zu vertreten bereit waren. Nach dem 2. Juni 1967 schlug die Stunde der linken Anwälte, mit Mahler an der Spitze sowie Schily und Ströbele im Gefolge. Im Zentrum steht aber nicht so sehr die 68er-Bewegung, sondern eine ihrer gravierendsten Folgen – der linke Terrorismus. Die RAF stellt in dem Band so etwas wie das magnetische Zentrum dar, in dessen Kräftefeld jeder der drei seinen eigenen Weg zu finden versucht hat.

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Der eine (Schily) vertritt den Staat, der andere (Ströbele) die Opposition und der Dritte (Mahler), dem selbst die NPD als zu parlamentarismusfixiert erscheint, stellt sich außerhalb von Demokratie und Rechtsstaat. Warum der einst so glänzende Jurist von der extremen Linken zur extremen Rechten gewechselt ist, das können auch Martin Block und Birgit Schulz nicht beantworten. Ihre Leistung besteht jedoch darin, dieses Rätsel kenntlicher gemacht zu haben.

Rezension: Prof. Dr. Wolfgang Kraushaar

Block, Martin/Schulz, Birgit
Die Anwälte – Ströbele, Mahler, Schily – Eine deutsche Geschichte
Fackelträger Verlag, Köln 2010, 315 Seiten, Buchpreis € 19,95
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