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Die blinden Flecken der RAF

Wolfgang Kraushaar

Die blinden Flecken der RAF

Der „Deutsche Herbst“ 1977 war die schwerste innere Bedrohung, die die Bundesrepublik Deutschland erlebt hatte, und führte das Land fast in eine Staatskrise. Die Gewalttaten der „Roten Armee Fraktion“ (RAF) erreichten mit der Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ nach Mogadischu und der Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer ihren Höhepunkt. Auch über die Todesnacht von Stammheim hinaus, in der sich Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe das Leben nahmen, agierte die RAF bis 1998 und führt darüber hinaus ein bis in die Popkultur hineinreichendes Nachleben.

Die RAF ist zum Mythos geworden, und die literarische und filmische Mythentradierung reicht von Heinrich Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ bis zum Film „Der Baader Meinhof Komplex“. Für längere Zeit schien es so, als sei alles gesagt, auch wenn manche Rätsel noch nicht gelöst waren und wohl niemals gelöst werden. Doch seit der Terror als furchterregende Konstante des politischen Lebens nach Europa zurückkehrte – dieses Mal in Gestalt des islamistischen Terrorismus –, erfährt auch die RAF neue Aufmerksamkeit, und zwar jenseits des „runden“ Jahrestages des Mordherbstes. Indem man die Unterschiede zwischen den damaligen und den gegenwärtigen Gewalttaten einebnet, ist die RAF zu einer Art Referenzsystem des aktuellen Terrorismus geworden.

Der Historiker Wolfgang Kraushaar legt jedoch dar, wie gigantisch der Unterschied zwischen dem alten, politisch begründeten, und dem neuen, religiös motivierten, Terror ist. Nicht zuletzt betrifft das beim religiös motivierten Terror die Anzahl der Opfer und die vollkommene Unkalkulierbarkeit der Taten; der größte Unterschied ist jedoch, dass eine wie auch immer geartete staatliche Todesdrohung durch den bewussten Einsatz des eigenen Lebens vollkommen hinfällig wird.

Doch im Vergleich zu den Sicherheitsgesetzen, die nach dem 11. September 2001 verabschiedet wurden, war die RAF-Bekämpfung ein Pappenstiel. Kraushaar, einer der besten Kenner jener Jahre, hat kein leicht zu lesendes Buch geschrieben. Einige Kapitel basieren auf älteren Abhandlungen, die bereits in wissenschaftlichen Zeitschriften erschienen sind. Das Buch hinterlässt deshalb einen sehr episodischen Eindruck. Vieles fehlt, was man sich erhofft hatte. Worum es ihm geht, ist „nichts anderes, als sich die Defizite in der Analyse, Deutung und Interpretation des RAF-Terrorismus vorzunehmen“.

Ihn interessiert, wo die Anfänge des bundesdeutschen Terrorismus liegen, wie es zu einer permanenten Radikalisierung kam, welche Rolle Frauen in der RAF gespielt haben, wie die fehlende Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit als ideologisches Gerüst herhalten musste, und schließlich, was von der RAF übrigblieb. Es gelingt dem Autor nur mit Mühe, einen Erzählfluss herzustellen. Wer sich aber im Thema bereits gut auskennt, für den bietet das Buch tiefere Einblicke.

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Rezension: Prof. Dr. Edgar Wolfrum

Wolfgang Kraushaar
Die blinden Flecken der RAF
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2017, 423 Seiten, Buchpreis € 25,00
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