„Gemütlich“, „Autobahn“, „Bildungsroman“, „Plattenbau“, „Bratwurst“, „Kindergarten“, „Rucksack“, „Strudel“, „Dummkopf “, „Leitmotiv“, „Waldsterben“, „Angst“, „Zeitgeist“ und so weiter – man kennt die deutschen Begriffe, die im Amerikanischen heimisch geworden sind, weil es entweder kein angemessenes englisches Äquivalent gibt oder weil die Millionen deutscher Einwanderer auch hier ihre unverwechselbare Spur hinterlassen haben. Umgekehrt gilt das gleichermaßen: Wenn von einem hochwertig aufgemachten, reichillustrierten und mit vielen Anekdoten versehenen Buch die Rede ist, fällt gemeinhin das amerikanische Wort „coffee-table“. Auf einem Beistelltisch plaziert, lädt es zum Blättern und Schmökern ein, zum Zeitvertreib, wenn der Gastgeber noch anderweitig beschäftigt ist.
Dass „coffee-tables“ nicht allein unterhaltsam, sondern auch anregend und lehrreich sein können, belegt der von Alexander Emmerich kompo‧nierte Band über die Geschichte der Deutschen in Amerika. Vom Jahr 1683 – als 13 mennonitische Familien aus dem Raum Krefeld in Richtung Pennsylvania aufbrachen – spannt er den Bogen bis heute, von dem legendären Segelschiff „Concorde“ bis zum Auszug aus dem Taufbuch von Barack Obamas Urgroßvater in sechster Generation: Johann Conrad Wölfle hieß der im schwäbischen Besigheim gebürtige Mann. Dazwischen findet sich alles, was eine fast 350-jährige Beziehungsgeschichte ausmacht.
Auch kundige Leser werden immer wieder auf Daten, Fakten und Zusammenhänge stoßen, die man irgendwann einmal gelernt, aber mittlerweile längst vergessen hat. Wie beispielsweise heißt der Graphiker, der das Dollarzeichen und die Symbole der beiden großen Parteien – den Esel für die Demokraten und den Elefanten für die Republikaner – entworfen hat? Es war ein gewisser Thomas Nast, 1840 in Landau in der Pfalz geboren und seit seinem sechsten Lebensjahr in den USA lebend.
Dankenswerterweise macht Alexander Emmerich bei seinem Gang durch eine wechselvolle Geschichte auch auf liebgewordene Irrtümer aufmerksam. Etwa auf die „Mühlenberg-Legende“, der zufolge das Deutsche nur deshalb nicht zur offiziellen Landessprache wurde, weil seine Befürworter bei der entscheidenden Abstimmung im Kongress angeblich eine Stimme zu wenig hatten.
An einigen Stellen hätte man sich eine etwas ausführlichere Darstellung gewünscht, an anderen wäre weniger mehr gewesen. Aber das ist kein Einwand – wie sollte es bei einem derartigen Unternehmen auch anders sein? Entscheidend ist vielmehr der Blick auf das Ganze. Auch an der Geschichte der Deutschen wird nämlich deutlich, dass die USA eine Erfindung Europas sind. Und dass umgekehrt die aus Europa kommenden Impulse des amerikanischen Kontextes bedurften, um zur Entfaltung zu kommen.
Rezension: Prof. Dr. Bernd Greiner