Es gibt spannend zu lesende und reizvoll illustrierte Dorfgeschichten in großer Zahl. Ihnen gemeinsam ist der Bezug auf jeweils ein Dorf, das in der Marsch, in der Börde oder auch am Alpenrand liegt. Dominiert hier der Ackerbau, so beschäftigen sich die Dorfbewohner dort vorrangig mit Grünlandwirtschaft. Dörfer mit reicher Handwerkertradition stehen neben Siedlungen, in denen erfolgreich Landwarenhandel betrieben wurde. Das alles ist bunt und abwechslungsreich, hat allerdings immer nur ein Dorf im Visier.
Anders das Buch von Werner Troßbach und Clemens Zimmermann. „Zum ersten Mal“, so der Klappentext, wird „das Dorf als elementarer Faktor der deutschen Gesellschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ behandelt, eine gewaltige Aufgabe, geht es doch nun um die Entwicklung des Dorfs im Verlauf von 1500 Jahren, um Brüche und Kontinuitäten. Der Herausforderung, eine große Linie aus der Menge der individuellen Dorfentwicklungen herauszuarbeiten, nähern sich die Verfasser akademisch. Allein neun Seiten führen zum Thema hin, und auch sonst zeigt sich, daß es die Dorfgeschichte wahrlich in sich hat: 160 Gliederungspunkte, 1957 Anmerkungen und 860 Literaturhinweise sprechen für die Vielschichtigkeit dörflichen Lebens, die trotz vieler Beispiele von Hailfingen bis Niklashausen nicht vollends ausgeleuchtet werden kann.
So werden etwa die „Elektrodörfer“, vom „Reichskuratorium für Technik in der Landwirtschaft“ im Kaiserreich eingerichtete elektrifizierte Musterdörfer, nicht erwähnt, kann die Mechanisierung der Landwirtschaft insgesamt nur gestreift werden. Aber auch ein akademisches Buch sollte nicht überfordert werden; der Anfang einer generellen Dorfgeschichte ist gemacht. Lenkt er tatsächlich, wie von den Autoren gewünscht, den Blick von Geographen, Verfassungs-, Wirtschafts-, Sozial- und Kulturhistorikern vermehrt auf das Dorf, so haben sich die Mühen gelohnt.
Rezension: Herrmann, Klaus