Wie haben die „kleinen Leute“ gelebt? Gibt es Überbleibsel auch von ihnen, oder haben wir tatsächlich nur Zeugnisse von den Großen und Mächtigen? Diese berechtigte Frage vieler Museumsbesucher beantwortet das Deutsche Historische Museum in Berlin mit Begleitmaterial zur ständigen Ausstellung.
Behandelt wird die Lebenswirklichkeit und der Alltag dieser „kleinen Leute“ vom Mittelalter bis heute; das sonst unsichtbare Reich der Namenlosen soll sichtbar gemacht werden. Problematisch ist, dass Schriftquellen aufgrund der mangelnden Schreibkenntnisse der „kleinen Leute“ über weite Strecken fehlen; das kann beispielsweise durch Sachüberreste, Auswertung von Gerichtsakten, Kirchenbüchern, Gesetzen und Verordnungen und später durch Fotografien, Ton- und Filmdokumente kompensiert werden.
Das Begleitheft schlägt den Bogen anhand von Objekten aus der Sammlung von der Ständegesellschaft im Mittelalter und in der frühen Neuzeit über den Absolutismus und Merkantilismus hin zur heutigen Massengesellschaft. Exemplarisch gibt etwa eine Bronzefigur von 1560, die einen Bauern auf dem Weg zum Markt zeigt, Aufschluss über die Kleidung dieses Standes, und eine Zwirnmaschine aus Sachsen von 1820/1840 verdeutlicht den Gesellschaftswandel während der industriellen Revolution. Verschiedene Lebensrealitäten zeigen die Fotos eines Büros 1926 und einer Wohnung in einer Berliner Mietskaserne von 1910. Werbeplakate sind ebenfalls informativ: dass auch für die „kleinen Leute“ Autos erschwinglich werden sollten, zeigt ein Werbeplakat für KDF-Wagen im 3. Reich. Themen wie Seuchen, Aufstände oder Armenfürsorge werden ebenfalls mit Sammlungsstücken veranschaulicht: eine Pesttafel von 1607/1635, die als Warnung an Hauswände angebracht wurde, verdeutlicht die Bedrohung durch Seuchen. Das „Augsburger Monatsbild“ von Jörg Breu d. Ä. von 1531 zeigt in einzelnen Monatsszenen Tätigkeiten auch der „kleinen Leute“. Und anhand eines Mandats Friedrich Augusts I. (1694-1733) zur Bekämpfung der Bettelei und Kriminalität lässt sich die Armut und Armenfürsorge im absolutistischen Zeitalter beschreiben.
Über einen Zusatzteil werden sich Lehrer freuen: Nach einer Einleitung für Lehrer werden etliche Beispielaufgaben für Schüler und Schülerinnen gegeben, alternativ für die Jahrgangsstufen 8-10 oder 11-13, durch die sich idealerweise mehrere Gruppen mit der Geschichte der „kleinen Leute“ im Museum auseinandersetzen können. Im Anhang werden neben Quellen, Überblicksliteratur und Nachschlagewerken sowie Internetseiten auch Romane, Theaterstücke, Gedichte und Jugendbücher empfohlen.
Rezension: Timo Widmaier