Für einen Mythos hält er zum Beispiel das Bild von den wohlhabenden Rentnern, die den Binnenmarkt beleben und gleichzeitig die Hochbetagten pflegen. Kaufkraft und ehrenamtliches Potenzial werden stark überschätzt, weist Kistler nach. Er ist überzeugt: In den kommenden Jahrzehnten wird die Altersarmut deutlich zunehmen, verschärft durch die Anhebung des Rentenalters. Denn die bedeute nicht ein paar Jahre mehr Arbeit, sondern ein paar Jahre ohne Einkommen. Ältere würden diskriminiert, auf sie zugeschnittene Arbeitsplätze und Bildungsangebote fehlen.
Nicht der demografische Wandel, sondern Massenarbeitslosigkeit und die politischen Entscheidungen nach der Wiedervereinigung hätten die Sozial- und Rentenkassen geleert. Zurzeit müssen weniger Jugendliche ausgebildet werden als früher, argumentiert Kistler, während die geburtenstarken Jahrgänge aus den Sechzigern noch 20 Jahre weiter in die Kassen zahlen werden Geld, das ihnen selbst im Alter fehlt.
Das sind gute Argumente, die von den Politikern bisher kaum berücksichtigt werden. Ziel der gegenwärtigen Debatte ist es dagegen vor allem, die Arbeitnehmerrechte zu beschneiden, vermutet Kistler. Scharfe Munition nicht nur für den nächsten Stammtisch.
Antonia Rötger