Die Stadt gehört zu den Phänomenen der mittelalterlichen Geschichte, die noch heute besonders deutlich das Leben in Europa prägen. Lange Zeit vor allem in eine Entwicklungslinie bürgerlicher Freiheit und kommunaler Selbstverwaltung gestellt („Stadtluft macht frei“), wird die mittelalterliche Stadt in der aktuellen Forschung wieder deutlicher als Phänomen ihrer Epoche verstanden.
Die zuvor dominierende Frage nach Recht und Verfassung ist durch eine Vielfalt von Perspektiven und Methoden abgelöst worden: Das Wechselspiel herrschaftlicher und genossenschaftlicher Momente, die Rolle sozialer Randgruppen, die Bedeutung obrigkeitlicher Ordnung und Gerichtsbarkeit oder das Problem der Umweltverschmutzung seien nur beispielhaft erwähnt. Immer deutlicher hat sich dabei die Erkenntnis durchgesetzt, daß es „die“ mittelalterliche Stadt nie gegeben hat, sondern eine Vielfalt von Städten, die jeweils nur einzelne Merkmale städtischen Lebens miteinander teilten.
Um in dieser differenzierten Forschungslandschaft einführende Orientierung zu geben, stellt das neue Studienbuch aus der Reihe „Geschichte kompakt“ der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Beschreibung und Vergleich einzelner Beispiele in den Mittelpunkt. Das ermöglicht eine konkrete und differenzierte Darstellung, bedingt aber auch den Verzicht auf manche klare und einprägsame Formel. Entsprechend der Reihenkonzeption werden wichtige Begriffe erläutert und zentrale Quellen (in deutscher Übersetzung) ausführlich zitiert.
Abgesehen von einem kursorischen Ausblick auf „europäische Entwicklungen und Perspektiven“ beschränkt sich die Darstellung zu Recht auf das römisch-deutsche Reich. Den zeitlichen Schwerpunkt bildet das hohe Mittelalter, wobei den frühen kommunalen Bewegungen ebenso große Aufmerksamkeit gilt wie den herrschaftlichen Stadtgründungen und Privilegierungen. Die spätmittelalterliche Ausdifferenzierung städtischer Rechte und städtischen Lebens wird nur noch in Grundzügen vorgestellt – eine angesichts der Materialfülle verständliche Selbstbeschränkung.
Rezension: Körntgen, Ludger