Die mittleren Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts gehören zu den wichtigen Umbruchphasen der chinesischen Geschichte. Mehr als zwei Jahrhunderte hatte die Ming-Dynastie (1368–1644), das letzte chinesische Kaiserhaus, China regiert. Im Jahr 1644 eroberten die aus der Region nordöstlich des chinesischen Kernlandes stammenden Mandschu den Kaiserthron. Ihre Dynastie, Qing genannt, dehnte das Reichsgebiet bis weit nach Zentralasien hinein aus und nahm neue Elemente in das chinesische Herrschaftssystem auf.
Viele Angehörige der chinesischen Staatsbürokratie und Gelehrtenelite erlebten den Dynastiewechsel als eine persönliche Katastrophe. Jonathan D. Spence, einer der herausragenden China-Historiker der Gegenwart, erzählt den Umbruch aus der Perspektive von Zhang Dai (1597–1680?), einem Gelehrten aus der pro‧sperierenden südchinesischen Küstenstadt Shaoxing. Zhangs Familie, deren Mitglieder auf den verschiedensten Regierungsebenen den Ming-Kaisern gedient hatten, fiel mit dem Herrschaftswechsel in die Bedeutungslosigkeit. Zhang Dai zog sich in die Welt der Vergnügungsviertel und der Privatgelehrsamkeit seiner Heimatregion zurück, wählte also nicht den Weg einer Beamtenkarriere im Dienst der Mandschu-Dynastie.
Aus dem Blickwinkel eines betroffenen Menschen lassen sich der starke Einfluss informeller und verwandtschaftlicher Strukturen in Politik und Gesellschaft des spätkaiserlichen China und die dramatischen Auswirkungen des Dynastiewechsels auf die Lebenswelt vieler Chinesen besonders gut erkennen. In den Kaiserpalast zog eine neue – und noch dazu nicht aus China stammende – Herrscher-familie ein; in den Provinzen und Regionen des Landes veränderten sich die Machtverhältnisse und Lebensstile.
Auf faszinierende und anschauliche Weise führt Jonathan Spence seine Leser in diesem wunderbaren Buch in Kultur, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik im China des 17. Jahrhunderts ein. An vielen Stellen lässt er Zhang Dai selbst zu Wort kommen, dessen Essays und Geschichtswerke zu den wichtigsten Zeugnissen dieser Epoche gehören.
Rezension: Prof. Dr. Sabine Dabringhaus