Daß Handwerksgesellen sich auf die Wanderschaft begaben, bei verschiedenen Lehrherren lernten und schließlich all diese Erfahrungen in ihre Berufsausübung einbringen konnten, ist allseits bekannt – auch wenn der wandernde Handwerker heute wohl nur noch im folkloristisch anmutenden Zimmermann präsent ist. Die wandernden Gesellen brachten Dynamik und Flexibilität in das streng geregelte zünftische Arbeitssystem des alten Handwerks, wurden aber auch zuweilen mißtrauisch beäugt und der Verstöße gegen Sitte und Moral bezichtigt. Diese Gesellenwanderungen vom 18. bis zum 20. Jahrhundert untersucht Sigrid Wadauer in ihrer anspruchsvollen Studie „Die Tour der Gesellen“. Als Grundlage dienen ihr vor allem autobiographische Texte von Handwerkern, die von volkstümlichen Bräuchen und Bildungsambitionen, von Abenteuer und Flucht, Glückssuche, Elend und Leid berichten. Herausgekommen ist ein spannendes Buch, das die Forschung voranbringt, indem es die Selbstsicht der Protagoni-sten wirklich ernst nimmt. In ihren Texten geben sich nämlich die Gesellen Rechenschaft über ihre Existenz, ihre Ziele und Träume und schließlich über ihr Scheitern.
Rezension: Talkenberger, Heike