Die zwei Hörner des Rhinozeros

David Quammens Essays zu Mensch und Natur zu lesen, macht großes Vergnügen. Denn geist- und lehrreiche Betrachtungen dieser Art findet man hierzulande kaum. Um so erstaunlicher ist es, dass die Geschichten des preisgekrönten amerikanischen Wissenschaftsjournalisten zuerst im Magazin „Outdoor“ veröffentlicht wurden, einer Zeitschrift für Freiluft-Sportarten.

Den Naturbegriff fasst David Quammen weit. Die Frage „Warum haben Eulen keinen Penis?“ fällt ebenso darunter wie die Zubereitung von Flederhund-Mahlzeiten auf der Insel Guam. In anderen Kapiteln geht es um den Rasen-Kult in amerikanischen Vorstädten, um die Selbstzweifel eines experimentellen Biologen bei der Messung der Spitzengeschwindigkeit mexikanischer Eidechsen oder um das moralische Dilemma, dass wir Tunfische essen, aber Delfine nicht.

Noch ein Schmankerl: Ins Kapitel über Schleimpilze ist auf wundersame Weise die Biografie des Computer-Pioniers Alan Turing verwoben, wobei hier nicht verraten wird, warum. Und die zwei Hörner des Rhinozeros – was hat es mit denen auf sich? Nun, afrikanische Spitzmaulnashörner haben tatsächlich zwei Hörner, während das indische Rhinoceros unicornis nur eines hat. Diese Fakten erfahren wir so nebenbei im Kapitel über einen berühmten Dürer-Holzschnitt („Rhinocerus“), dessen Betrachtung David Quammen zu dem Schluss kommen lässt, „dass Bilder trügen können, dass sie damit aber nicht allein stehen. Ein anderes Mittel, Realität zu erfinden, ist das Schreiben. Auch Worte können lügen. Das dürfen Sie mir ruhig glauben.“

Judith Rauch