Am 13. August 1961 ließ Ulbricht in Berlin die Mauer errichten, um die Menschen in der DDR zum Bleiben zu zwingen und die Macht der SED zu behaupten. In West-Berlin kam es zu wütenden Massenprotesten – doch die westlichen Schutzmächte blieben untätig. Und so griff eine kleine Zahl von jungen Frauen und Männern zur Selbsthilfe, um Freunde und Verwandte über den Stacheldraht nach Westen zu holen.
Einer von ihnen war Dieter Thieme, damals 33 Jahre alt. Er hatte die SED-Diktatur in den 50ern als politischer Häftling kennengelernt. Bis zum Mauerbau hatte er an der Freien Universität West-Berlins Studierende betreut, die im Osten wohnten. Mit seinem Freund Detlef Girrmann suchte er nun seine Schützlinge in Ost-Berlin auf, fragte, wer in den Westen wolle. Mit Ausweisen Dritter oder gefälschten Pässen wurde dann, wer wollte, über die Grenze geschleust.
Doch bald perfektionierte die SED-Führung ihr Grenzregime. Als die Einreise von West nach Ost kaum mehr möglich war und die letzten Abwasserkanäle zwischen Ost und West gesichert waren, endete die Zeit der Thiemes und Girrmanns. Jetzt begann eine andere Fluchthelfer-Generation Tunnel zu bauen. Je schwieriger die Schleusungen wurden, desto kostspieliger waren sie. Auch stieg beständig das Risiko für Flüchtende und Helfer. Die ersten Schüsse fielen. Waren die Fluchthelfer der ersten Stunde im Westen bewunderte Helden, galten die Tunnelbauer, die Fluchthelferprofis, bald als Hasardeure, deren Aktionen zwar Aufsehen erregten, aber zugleich im Ruf der Profitgier standen.
Als in den 70er Jahren Reiseerleichterungen zwischen West und Ost verhandelt wurden, galten die Fluchthelfer dann manchen als Störfaktor im Entspannungsprozeß. Die Konterpropaganda der SED zeigte auch im Westen Wirkung! 44 Jahre nach dem Mauerbau, 15 Jahre nach der Wiedervereinigung, ist es der Berliner Zeithistorikerin Marion Detjen zu verdanken, daß die Geschichte der Fluchthilfe erstmals wissenschaftlich akribisch, spannend und lesbar aufgeschrieben worden ist. Detjen zeichnet ein Kapitel der deutschen Teilung nach, das über viele Jahrzehnte zu Unrecht mit starken Vorurteilen behaftet war.
Rezension: Mählert, Ulrich