1905 DEFINIERTE Albert Einstein ein bis dato unbekannter Angestellter des Berner Patentamts den Zeitbegriff neu. Nicht zuletzt die Patentanträge zur Synchronisation von Uhren hatten ihn zu seinen Gedankenexperimenten für die spezielle Relativitätstheorie inspiriert. Dieser Umbruch im Weltbild der Physik lag in der Luft, zeigt der amerikanische Wissenschaftshistoriker Peter Galison. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verband ein wachsendes Netz aus unterseeisch verlegten Kabeln die Kontinente telegrafisch miteinander. Die Gremien der verschiedenen Staaten versuchten fieberhaft, eine einheitliche Weltzeit festzulegen, um Gleichzeitigkeit zu definieren und präzisere Weltkarten zu zeichnen. Henri Poincaré, einer der berühmtesten Wissenschaftler seiner Zeit, befasste sich mit solchen technischen Fragen und entdeckte dabei, dass die Hypothesen von einem mit Äther gefüllten Raum und einer absoluten Zeit nur noch mit Kunstgriffen zu halten waren. Galison schreibt präzise und kenntnisreich, wenn auch ziemlich trocken. Menschliches kommt höchstens am Rande vor. Die politische und wirtschaftliche Situation um die Jahrhundertwende schildert er dagegen sehr detailliert und zeigt eindrucksvoll, dass eine der gewaltigsten Revolutionen der Physik mit dem Bedarf nach Kontrolle der Kolonien, weltweitem Handel und Kommunikation zusammenhing.
Antonia Rötger