„Wenn ich den Hut aufsetze, muß ich den zur Begrüßung abnehmen“, sinnierte der Staatsratsvorsitzende und Generalsekretär der Partei, als Bundeskanzler Helmut Schmidt zu deutsch-deutschen Konsultationen in die DDR kam. Also entschied sich der Arbeiterführer für eine sowjetische Pelzmütze. Diese Kopfbedeckung würde er ohne Gesichtsverlust aufbehalten können. Die kleine Episode vom Dezember des Jahres 1981 ruft uns Erich Honecker als kleinkariert denkenden, kleinbürgerlich lebenden und hölzern redenden Duodezfürsten seines Arbeiter-und-Bauern-Staates ins Gedächtnis. Das Bild paßt auf den ersten Blick bestens: Die Figur des politischen Führers wird mit solchen Erzählungen rasch zur Inkarnation des Staatswesens, das sie repräsentiert. Doch der ungelernte Dachdecker aus Wiebelskirchen konnte auch anders: Norbert F. Pötzl beschreibt Erich Honecker als einen Liebhaber von Frauen und von französischen Automobilen, im persönlichen Umgang als „lebendigen Erzähler“ (so Franz-Josef Strauß), gar als „beeindruckendes Mannsbild“, in der deutsch-deutschen Politik immerhin als eine berechenbare und verläßliche Größe: „Vertrauen gegen Vertrauen“ war seine Devise. Beide Honecker-Biographien, die von Norbert F Pötzl und die von Jan N. Lorenzen, sind gut lesbar und informativ; beide sind von Journalisten geschrieben. Der soeben bei der Deutschen Verlags-Anstalt erschienene Band von Pötzl setzt dem öffentlich-propagandistischen einen nichtöffentlich-politischen Honecker entgegen. Leider nur schemenhaft zeichnen sich die Konturen des privaten Honecker ab. Erklärungen zu den biographischen Brüchen, zu den Dissonanzen und Disproportionen dieser Persönlichkeit bleiben uns beide Autoren freilich schuldig.
Rezension: Gries, Rainer