Als „Zornstraffen Gottes“ oder „Lands-verderbliche Zufälle“ wurden die häufigen Stadtbrände in der Frühen Neuzeit gesehen. Für die betroffenen Städte konnte der Verlust von wichtigen Gebäuden wie Kirchen und Waisenhäusern und der Wegzug der verarmten Bevölkerung den ökonomischen und demographischen Niedergang bedeuten. Ihre Bewohner litten nicht nur unter den materiellen, sondern auch unter den psychischen Folgen. Daher suchten sie nach den Ursachen der Katastrophen und nach Deutungsmöglichkeiten, um das Unglück zu verarbeiten. Religiöse und profane Sichtweisen existierten hier nebeneinander.
Für ihre Studie zu den frühneuzeitlichen Stadtbränden im Deutschen Reich stützt sich Marie Luisa Allemeyer auf die Dokumente, die im Umfeld der Brände entstanden. Dazu gehören Flugblätter, Gedenkschriften, obrigkeitliche Mandate und technische Traktate, aber auch Predigten und Tagebuchaufzeichnungen. Das große Spektrum der Texte bietet der Autorin die Möglichkeit, Wahrnehmungsweisen und Handlungsdispositionen der betroffenen Menschen zu analysieren und Unterschiede in deren Umgang mit den Stadtbränden aufzuzeigen. Wichtig war vor allem das Wesen der Katastrophe: Gottesstrafe, Teufelswerk oder Folge menschlicher Unachtsamkeit? Während religiöse Deutungen im Menschen nur den durch seine Sünden mittelbar Schuldigen sahen, gaben weltliche Argumentationen gesellschaftlichen Randgruppen wie den Juden die direkte Schuld als Brandstifter. Bei den möglichen Maßnahmen gegen das Feuer standen die beiden Konzepte „Beten“ und „Löschen“ einander gegenüber.
Aus heutiger Sicht wirken die unterschiedlichen Denk- und Handlungsmuster im Umgang mit Stadtbränden unvereinbar. Schon innerhalb der religiösen Vorstellungen von „Gottesstrafe“ und „Teufelswerk“ gab es Konflikte. Einen Gegensatz dazu bildeten wiederum die rationalen Erklärungsversuche und Löschmethoden der Techniker. Dennoch kann Marie Luisa Allemeyer in ihrer eingehenden und gut lesbaren Quellenanalyse zeigen, dass die frühneuzeitlichen Menschen die verschiedenen Umgangsformen mit dem Feuer als integrierbar und komplementär wahrnahmen – die „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“ prägte damals die individuelle Erfahrungswelt.
Rezension: Gnädinger, Constanze