Der Name Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein ist untrennbar mit jenen Reformen verbunden, die nach dem Untergang des Alten Reiches 1806 die Grundlagen des modernen Preußen schufen und im deutschen Nationalstaat zum Teil bis in die Gegenwart nachwirken. Zugleich war Stein von seiner Herkunft und seiner Entwicklung her fest im Alten Reich verwurzelt. Seine tatsächliche Rolle im Reformprozess ist von der historischen Forschung zum Teil relativiert, zum Teil neu gewürdigt worden und kann als umstritten gelten.
Steins Reformtätigkeit war aber nur ein Teil seines historischen Wirkens, das eine politische Beratertätigkeit für Zar Alexander I. oder die aktive Unterstützung des griechi-schen Unabhängigkeitskampfes ebenso umfasst wie die Mitbegründung der renommierten Quellenedition „Monumenta Germaniae Historica“. Aktuelle Biographien Steins sind dennoch rar, und so bedarf eine solche im Prinzip keiner Rechtfertigung.
Die knapp gehaltene und flüssig lesbare Darstellung, die der Freiburger Emeritus Hans Fenske nun vorgelegt hat, ist dicht aus den Quellen heraus gearbeitet. Gleich im ersten Kapitel wirft er den Leser in die seit dem 12. Jahrhundert fassbare Familiengeschichte, aus der er die Herkunft und schließlich die Person Steins entwickelt, um schließlich dessen Leben chronologisch und detailfreudig nachzuerzählen. Leider kommt dabei ein deutlich erkenntnisleitendes Interesse zu kurz: Der „Reformer und Moralist“ Stein ist in der Fülle seiner Lebensereignisse nicht klar konturiert zu erkennen.
Das Buch wird denjenigen ratlos zurücklassen, der weder mit der historischen Bedeutung des Freiherrn vom Stein noch mit der Zeit, in der er gelebt und gewirkt hat, einigermaßen vertraut ist. Zu wenig erklärt der Autor, zu wenig arbeitet er markante Eckpunkte des Charakters und des Lebenswegs Steins heraus, zu wenig bettet er die präsentierten Ereignisse in einen größeren Zusammenhang ein.
Wer eine ausführliche Biographie sucht, sollte auf die zurückgreifen, die Heinz Duchhardt anlässlich des 250. Geburtstags vom Steins veröffentlicht hat (Münster 2007). Eine kürzere, ebenfalls empfehlenswerte Publikation zu Stein hat Duchhardt drei Jahre später vorgelegt (München 2010). Fenskes Buch ist derweil der „gut lesbare und intelligente biographische Essay“, als den ihn der Verlag ankündigt, die Ansprüche aber, die man an eine Biographie stellt, erfüllt er nicht.
Rezension: Dr. Anuschka Tischer