„Chinatown“, das verbindet man in der Regel mit den großen Chinesenvierteln in New York oder San Francisco. Dass aber auch in Hamburg seit dem Ende des 19. Jahrhunderts einige hundert chinesische Einwanderer lebten, mag eher überraschen. Gekommen waren sie als schlechtbezahlte und Schwerstarbeit leistende Heizer und Kohlenzieher auf den Dampfschiffen, angeheuert von europäischen Reedereien, auch vom Norddeutschen Lloyd (NDL) in Bremen oder von der Hamburg-Amerika-Linie in Hamburg (HAL). Obwohl die Zahl der in der Hansestadt lebenden Chinesen nicht sehr hoch war, wurden sie seit den 1920er Jahren als gefährliche „Fremde“ wahrgenommen. Man phantasierte von einer kriminellen chinesischen Unterwelt, die Behörden ergriffen verstärkt Maßnahmen gegen die chinesische Einwanderung.
In seiner Studie „Fremde – Hafen – Stadt“ hat Lars Amenda die chinesische Migration in Hamburg und ihre Wahrnehmung untersucht. Anschaulich und quellennah beschreibt er Lebensbedingungen und Alltag der Chinesen im Rahmen der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Hafenmetropole, stellt die Kontakte und Konflikte zwischen Chinesen und Hamburgern dar und analysiert die Motive der behördlichen Restriktionen. Dabei zieht er die Linie nicht nur bis zur Verfolgung der Chinesen durch die Nationalsozialisten, sondern bis in die Nachkriegszeit, in der zahlreiche Chinesen, diesmal als Flüchtlinge, nach Hamburg kamen und hier vor allem seit den 60er Jahren als Betreiber von Restaurants ein neues Auskommen fanden. Den wechselvollen Umgang mit dem „Fremden“ rekonstruiert Amenda überzeugend, doch hätte man sich eine Sprache gewünscht, die weniger stark im Brustton der moralischen Anklage argumentiert.
Rezension: Talkenberger, Heike