1949, im Gründungsjahr der DDR, wurden auf dem Territorium der sowjetischen Besatzungszone einschließlich Ostberlins 274 022 Kinder geboren. Mit 21 von ihnen hat die Autorin Dorothee Wierling Mitte der 90er Jahre lebensgeschichtliche Interviews geführt. Das Ergebnis dieses langjährigen Forschungsprojektes liegt nun als beeindruckende kollektive Biographie unter dem Titel „Geboren im Jahr Eins“ vor. Der Kulturhistorikerin gelingt es, mit viel Empathie und Sympathie ein Langzeit-Porträt dieses ebenso willigen wie eigenwilligen Jahrganges zu zeichnen: Für die ausschließlich in der DDR aufgewachsenen Kinder war der Krieg noch allgegenwärtig; in den pathetischen Anfangsjahren der DDR mit ihren hochfliegenden Plänen und Versprechungen bekamen sie einen – politisch gemeinten – „Glücksauftrag“ mit auf ihren Lebensweg, den sie sich zu eigen machten, aber spätestens seit den 70er Jahren notgedrungen privat interpretierten. Denn eine grundlegende Prägung erfahren die pubertierenden Jugendlichen dieser Kohorte während der janusköpfigen 60er Jahre: Einerseits ist dieses Jahrzehnt gerade für sie voller Hoffnungen und Zukunftserwartungen, andererseits ist es das Jahrzehnt der Brüche und der Brechung. Jetzt erfahren die 49er „ihre Zubereitung als kontrollierte, disziplinierte, gedemütigte und ins Private abgedrängte Jugend.“ Mit diesem Band ist Dorothee Wierling ein großer Wurf gelungen, denn damit liegt ein zentraler Baustein zu einer Gesellschaftsgeschichte der DDR vor – aus der Sicht der ersten ebenso symbolischen wie signifikanten Nachkriegsgeneration der DDR.
Rezension: Gries, Rainer