Wie konnte es möglich werden, die Massenverbrechen der Nationalsozialisten juristisch zu ahnden? Wie der Welt ein Zeichen senden, dass die massive Verletzung der Menschenrechte der Opfer nicht ungesühnt bleiben würde? Vor diesen Fragen standen die Alliierten nach Kriegs‧ende. Die Antwort waren die Nürnberger Prozesse, bei denen Täter wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ verurteilt wurden (vgl. DAMALS 5-2016).
Zur Anwendung kam das Völkerstrafrecht, mit dem sich Annette Weinke in ihrer anspruchsvollen Studie eingehend beschäftigt. Dabei bettet sie die Rechtsentwicklung ein in die internationale Auseinandersetzung um deutsche Gewaltverbrechen und deren Aufarbeitung vom Ersten Weltkrieg bis nach 1989. Die Debatte um eine „Humanisierung“ von Kriegen (zumindest zwischen „zivilisierten“ Staaten) hatte schon früher begonnen: bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, getragen von liberalen bürgerlichen Kreisen. Der Erste Weltkrieg aber war die erste große Bewährungsprobe für die Anwendung des Völkerrechts, und immer stärker geriet auch das Schicksal der Zivilbevölkerung in den Fokus. Weinke beleuchtet, wie umkämpft die Umsetzung des Völkerrechts war und wie stark Geschichtsbilder und politische Konstellationen dabei eine Rolle spielten.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger