Mit „Hexenwahn“ ist Lyndal Roper, die am Balliol College der Universität Oxford lehrt, ein Meisterstück gelungen. Dem Beck-Verlag in München ist es zu verdanken, dass dieses Standardwerk zur deutschen Geschichte der frühen Neuzeit rasch und gut ins Deutsche übersetzt und in einer Qualität präsentiert worden ist, die jene der englischen Ausgabe noch übertrifft. Zwar handelt es sich hier nicht – wie es der deutsche Untertitel nennt – um „die Geschichte einer Verfolgung“; so ist nur ein Kapitel benannt, in dem die Autorin die Forschungslage referiert. Was wir von Roper bekommen, ist viel mehr, nämlich eine Reihe von intensiven Fallstudien anhand gut dokumentierter süddeutscher Hexenprozesse. Ihr Fokus liegt auf dem Gegenstand, den der Untertitel der Originalausgabe verspricht, nämlich auf „Terror and Phantasy in Baroque Germany“.
Es geht der Autorin um die barocken Ängste in einer Zeit der Kriegsschrecken und Hungersnöte, die sich um Sexualität, Fruchtbarkeit (bei Tier und Mensch), Nahrung, Kindheit und Mutterschaft drehten. Sie nimmt menschliche Empfindungen ernst und versteht es, Phantasien von Kannibalismus und Teufelsbuhlschaft psychoanalytisch zu interpretieren, ohne das Gespür für den Common Sense zu verlieren. Das großartig geschriebene und kongenial illustrierte Buch nimmt den Leser mit auf die Reise in unsere eigene fremde Vergangenheit und beweist, dass reflektierte Forscher die besten Wissensvermittler und Unterhalter sein können.
Rezension: Behringer, Wolfgang