Das Verhältnis zwischen Sammlern, Anbietern und Experten lässt sich als Glücksdreieck verstehen. Kaum je wird das so klar wie in Helmut Dietls Filmsatire „Schtonk“. Die Sammler beziehen Prestige und Freude aus dem Erwerb und Besitz, hier von NS-Devotionalien. Die Anbieter befriedigen das Streben der Sammler nach Erweiterung. Dritte im Bund sind die Experten, auf Unabhängigkeit pochend, doch verstrickt ins System von Teilhabe, Begünstigung und Prominenz. Nicht die notorisch uneinigen Historiker und Schriftsachverständigen lassen so den Betrug auffliegen, sondern namenlose Techniker, die das Alter des Materials bestimmen.
Ein seit der Renaissance beliebtes Sammelgebiet waren Bildnisse der Kaiser des antiken Rom. Angeregt durch die Biographien-Reihe des römischen Schriftstellers Sueton, traten diese Abbilder in Serie auf, um Wände zu füllen und Nischen zu bestücken. Die Autorin Mary Beard beginnt in der Antike, als Darstellungen zumal des jeweils aktuellen Herrschers allgegenwärtig waren. Ihr Akzent liegt jedoch auf der Neuzeit. Auch wenn die Imperatoren im Bildgedächtnis unserer Zeit nicht mehr so präsent sind wie einst, haben sie in der Sprache des Porträts Spuren hinterlassen. Adligen und Herrschern dienten die Kaiser nicht nur dazu, Reichtum und Geschmack zu zeigen, sie trugen auch zur Selbstformierung bei, als Vorbilder wie als abschreckende Beispiele.
Beard zeigt, wie in der Renaissance die Profilporträts auf römischen Münzen die Vorstellungen vom Aussehen der Kaiser prägten und sie auch den Gedanken der Reihe beförderten, stärker als die später so maßgeblichen Marmorköpfe. Mit Lust quält die Altertumswissenschaftlerin alle Akteure rückblickend mit einem konstruktivistischen Stachel, indem sie verwickelte Geschichten von Entdeckungen und (Fehl-)Deutungen, Hoffnungen und Enttäuschungen, Kontroversen und Besitzerwechseln erzählt. Nichts ist sicher, nichts hat Bestand. Sich ändernde Zuschreibungen und Zuordnungen sind an der Tagesordnung. Die Idee des Authentischen ist angesichts der Spannweite von antiker Umarbeitung über moderne Reparatur und Ergänzung bis hin zur Neuschöpfung oder Fälschung ohnehin kaum aufrechtzuerhalten.
Und was die Experten angeht: Beard verdeutlicht implizit, wie ein wachsendes Authentizitätsbedürfnis und der Wunsch, das Besessene korrekt zuzuordnen, dazu beitrugen, Kennerschaft
zur Wissenschaft weiterzuentwickeln. Die Antiquare stellten die Altertümer in Folianten zusammen und suchten sie durch Abgleich mit den antiken Texten zu identifizieren. Die Autorin formuliert ironisch-kritisch: Kunstarchäologen hätten auch heute prinzipiell kein anderes Instrumentarium zur Verfügung als ihre Vorgänger, wie sie etwa an der Debatte um den bekannten „grünen Caesar“ aus der Berliner Antikensammlung zeigt. Dieser wurde als Porträt des Dictators, als Bildnis eines Parteigängers oder als neuzeitliches Fabrikat gedeutet.
Rezension: Prof. Dr. Uwe Walter
Mary Beard
Zwölf Cäsaren
Gesichter der Macht von der Antike bis in die Moderne
Propyläen Verlag, Berlin 2022, 528 Seiten, € 36,–