Die umfassende Dürerschau – noch bis zum 02.09.2012 im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg – holt gegenwärtig viele Facetten des jungen Renaissance-Malers zurück in unser Blickfeld. Eine eigene Sektion der Ausstellung widmet sich dem Reiz, den vor allem die Lagunenstadt Venedig auf den heranwachsenden Dürer ausübte.
Daniela Crescenzio erweitert diesen Blick in ihrem ersten Band des Leitfadens Italienische Spaziergänge in Nürnberg zu einem Panorama venezianischer Einflüsse auf die fränkische Kaufmannsstadt, die einen intensiven Austausch mit den Knotenpunkten des Mittelmeerhandels unterhielt. Über die norditalienischen Märkte Venedigs und Paduas gelangten exklusive Güter nach Europa. In ihrem Gepäck kamen auch italienische Inspirationen den Main und die Pegnitz aufwärts, die nicht allein Albrecht Dürer erspürte. Auf vier Rundgängen durch die Altstadt entdeckt Crescenzio für den Leser bekannte und versteckte „Italiener“. Die Freude ist sicher am größten, begibt man sich mit dem broschierten Heft direkt in das Gewirr der Altstadtwinkel und folgt den präzisen Wegangaben der Autorin.
Zuweilen muss man schon genau hinsehen, um beispielsweise die Jakobskirche, Beginn des ersten Rundgangs, mit dem Aufbruch der frühesten Italienreisenden, der Pilger nämlich, zu verbinden. Auf ihrem Weg nach Jerusalem oder Santiago de Compostella machten sie zunächst in Venedig Station. Ihnen folgten bald die Händler, auf deren Spuren sich der Leser in den ersten beiden Rundgängen begibt. Sie führen zunächst von der Jakobskirche in das Händlerviertel an der Sebalduskirche und dem Rathaus. Hier eröffnet die Autorin verblüffende Details oft oberhalb des Gesichtsfeldes. So lohnt es sich etwa, die Fassade des IHK-Gebäudes genauer zu studieren, um den Markuslöwen an einer der Eckkonsolen zu entdecken. Im Auftrag der Kaufleute ließen sich nicht nur Nürnberger Baumeister, sondern auch Bäcker und Köche von neuartigen Ingredienzen anregen und schufen ihrerseits Exportschlager. Den Gewürzen und Arzneimitteln widmet sich der dritte Rundgang, auf dem die Nürnberger Identitätsstifter Lebkuchen und Bratwurst in neuem exotischem Licht erscheinen. In ihrem vierten Rundgang begibt sich die Autorin schließlich auf die Spuren Jacopo de Barbaris, des italienischen Hofkünstlers in Nürnberg. Er ist es auch, der uns wieder an den Anfang führt – kein geringerer als Albrecht Dürer ehrte ihn als „van Venedig geborn, ein lieblicher Moler“.
Rezension: Ulrike Schröder