Zwischen 1871 und 1918 entwickelte sich Berlin in atemberaubendem Tempo zu einer europäischen Metropole. Die öffentlichen und privaten Bauherren trachteten danach, den Rückstand zu den traditionsreichen Kapitalen Paris, London und Wien in wenigen Jahren aufzuholen und Berlins gewachsene Bedeutung in repräsentativer Architektur – Regierungs- und Verwaltungsgebäuden, Kirchen und Schulen, Museen und Villen – anschaulich zu machen. Obwohl der Zweite Weltkrieg und die Stadtplanung der Nachkriegsjahrzehnte beiden Teilen der Stadt schwere Wunden zugefügt haben, ist das architektonische Erbe der Kaiserzeit noch immer derart umfangreich, dass man sich bis heute ein lebendiges Bild jener Jahrzehnte machen kann. Der Band skizziert die historischen Hintergründe dieser Epoche und präsentiert in 15 Kapiteln die verschiedenen Architekturgattungen anhand repräsentativer und gut erhaltener Beispiele. Knapp 400 eigens für diesen Band aufgenommene Farbbilder führen auf überwältigende Weise vor Augen, was Berlin auch in dieser Hinsicht zu bieten hat. Dabei liegt der Schwerpunkt nicht auf den bekannten Großbauten, sondern rückt Gebäude in den Mittelpunkt, die der Besucher der Stadt übersehen mag. Dazu gehören etwa die prächtigen Bezirksrathäuser und Gerichtsbauten, aber auch die privaten Villen der Zeit. Die Bildqualität des Bandes ist sehr hoch. Sehr erfreulich ist, dass nicht nur Außenaufnahmen der Gebäude gezeigt werden, sondern auch Innenansichten etwa der gewaltigen Treppenhäuser und Sitzungssäle. Und erst dadurch wird der Eindruck des kaiserzeitlichen Berlin vollständig. Ein wirklich sehens- und lesenswertes Buch, das eine erstaunliche Lücke in der vielfältigen Literatur über die deutsche Hauptstadt schließt.
Rezension: Uwe A. Oster