Karl May hatte als Schöpfer literarischer Figuren wie Winnetou oder Hadschi Halef Omar nicht nur einen fast beispiellosen Erfolg, er besaß zugleich ein erstaunlich modern anmutendes Geschick, sich selbst als „Medienstar“ zu vermarkten. So behauptete der begnadete Kompilator, Sohn eines armen Webers aus dem sächsischen Ernstthal, seine packenden Abenteuergeschichten aus dem Wilden Westen oder dem Vorderen Orient beruhten auf eigenen Reiseerfahrungen und seine Helden Old Shatterhand bzw. Kara Ben Nemsi seien sein Alter Ego. Zu Lesungen trat May daher gern im Wildwestkostüm auf, kurz, er inszenierte sich als „Gesamtkunstwerk“.
Der Literaturwissenschaftler Helmut Schmiedt hat eine zuverlässige, behutsam argumentierende Biographie Mays vorgelegt, in der er dem Verwischen von Realität und Phantasie im Leben Karl Mays einen zentralen Platz einräumt. Er begleitet seinen Protagonisten von dessen Kindheit in Armut über die Phasen krimineller Betätigung bis zum Gipfel des Erfolgs und versteht es, in all diesen Wechselfällen die schillernde Persönlichkeit und das vielfältige Werk Mays plausibel zu verknüpfen.
Wesentlich plakativer geht Thomas Kramer in seiner Biographie vor. Schwungvoll setzt der Autor Akzente, stellt aber auch Aspekte des May’schen Werks in den Kontext der damaligen Literatur. Kramer weist zu Recht darauf hin, dass heutige Jugendliche nicht mehr von den Abenteuergestalten Karl Mays gefesselt werden; umso stärker plädiert er für eine Neuentdeckung.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger