DER BUCHTITEL ERWECKT den Anschein, als finde der Leser darin eine archäologische Wahrheit, welche die Bibel widerlegt. Das hat den Spiegel (52/2002) dazu inspiriert, einen Punsch polemischer Verzerrungen der Thematik auf den publizistischen Weihnachtsmarkt zu bringen. Dabei geht es in dem anregend und fundiert geschriebenen Buch nicht um die naive Alternative, ob die Bibel Recht hat oder nicht, sondern um die geschichtlichen Verhältnisse und Lebenszusammenhänge, in denen die Texte der hebräischen Bibel entstanden sind. Die Archäologie kann diese realen Hintergründe erhellen. Neuere Analysen alttestamentlicher Texte haben ergeben, dass viele Texte jünger sind, als die Fachwelt noch vor einigen Jahren dachte. Die Geschichtsbücher der Bibel die freilich keine Geschichtsdarstellungen im modernen Sinne sind wären demnach wesentlich später entstanden als die meisten Ereignisse, von denen sie erzählen. Die Autoren des Buches, die beiden renommierten Archäologen Israel Finkelstein, und Neil Asher Silberman, entwickeln daraus die Hypothese, dass ein Großteil der geschichtlichen Texte während der Zeit des Königs Josia im Zuge politischer und religiöser Reformen entstanden sei (639 bis 609 v.Chr.). Es leuchtet ein, dass die Reformzeit unter König Josia der reale Hintergrund bestimmter Texte ist. Doch aufs Ganze gesehen ist diese Datierung sicherlich zu eng gefasst. Die Texte sind vielmehr während eines langen Zeitraums entstanden, der die religiösen Erfahrungen vieler Menschen aus unterschiedlichen Lebenszusammenhängen umfasst.
Dr. Jens Kamlah