In die Geschichtsschreibung über die Kreuzzüge ist seit einigen Jahren Bewegung gekommen. Dominierte zunächst die westliche Perspektive, aus der heraus erzählt wurde, stand also Papst Urban II. mit seinem Aufruf zur Befreiung Jerusalems, dem Zigtausende folgten, am Beginn der so folgenreichen Ereignisse, so gibt es seit einigen Jahren auch Schilderungen aus der Sicht der Araber. Noch einen anderen Akzent setzt der Byzantinist Peter Frankopan. Ihm geht es in seiner bereits 2012 auf englisch erschienenen Studie zentral um den byzantinischen Kaiser Alexios I. Komnenos und dessen Reich am Vorabend des ersten Kreuzzugs. 1095 hatte Alexios den Papst flehentlich um Hilfe gegen die übermächtig werdenden Seldschuken gebeten.
Frankopans Blickwinkel ist zwar keineswegs so grundstürzend neu, wie der Autor behauptet, hatte ihn doch auch schon der Byzantinist Steven Runciman in seiner brillanten Kreuzzugsgeschichte (zuerst 1968; Neudruck München 2008) eingenommen. Aber Frankopans Buch ist trotzdem sehr lesenswert, denn es bietet eine detaillierte Analyse der schwierigen Machtverhältnisse im Osten, eine fesselnde Erzählung der dramatischen Geschehnisse bis zum Fall Jerusalems und zugleich eine anregende Charakterstudie des byzantinischen Herrschers.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger