Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Mein geheimes Tagebuch. – März – Juli 1943.

Zwarte-Walvisch, Klaartje de

Mein geheimes Tagebuch. – März – Juli 1943.

Tagebücher von KZ-Insassen sind nur wenige der Nachwelt erhalten geblieben. So ist es einer Reihe von Zufällen zu verdanken, dass die Aufzeichnungen, die die Niederländerin Klaartje de Zwarte-Walvisch im Konzentrationslager Herzogenbusch (in den Niederlanden Kamp Vught genannt), zu Papier brachte, heute gelesen werden können. Die jüdische Näherin aus Amsterdam gab sie ihrem Schwager dort, bevor sie ins Durchgangslager Westerbork deportiert wurde. Zuvor war es Salomon de Zwarte gelungen, aus dem KZ Westerbork zu fliehen und in Amsterdam unterzutauchen. In seinem Nachlass überdauerte das Tagebuch, bis seine Tochter es dem Museum für Jüdische Geschichte in Amsterdam übergab.

Das Tagebuch umfasst die Zeit vom 22. März 1943, an dem Klaartje Zwarte-Walvisch und ihr Mann gefangen genommen wurden, bis zum 4. Juli 1943, dem Ankunftstag in Westerbork, und es ermöglicht uns einen tiefen Einblick in den Lageralltag der Häftlinge. Obwohl die Verfasserin in einfachen Worten schreibt, kann sich der Leser der Eindringlichkeit ihrer genauen Beobachtungen, ihrer Wut über die Unmenschlichkeit, ihrer Fassungslosigkeit über das ihr und anderen angetane Unrecht nicht entziehen.

Schon bei ihrer Registrierung für das Arbeitslager ahnte Klaartje de Zwarte-Walvisch, dass etwas „Dreckiges, Verbrecherisches“ vor sich ging, denn statt Arbeitsfähiger findet sie auch „Alte, Verkrüppelte, Lahme, Blinde“, „der eine hilfloser als der andere“, die vor Angst weinten. Ratlos fragt sie sich, warum sie alle zu Verbrechern, zu Ausgestoßenen der Gesellschaft geworden sind.

Klaartje notierte heimlich die täglichen Vorkommnisse, von kleinen Freuden bis zu den Ungeheuerlichkeiten, die ihr zugemutet wurden. So beschreibt sie etwa, wie sie und ihre Schicksalsgenossinnen tagelang völlig sinnlos schwere Steine schleppen mussten, begleitet vom höhnischen Lachen der SS-Männer. Hellsichtig fragt sie: „Wie ist es möglich, dass all die Menschen sich hier jede Erniedrigung und Gemeinheit gefallen lassen müssen?“, und antwortet: „Sie waren die bewaffnete Macht, wir die unbewaffneten Juden.“ Doch Klaartje, die selbst unter erheblichen gesundheitlichen Problemen litt, sprach sich immer wieder Mut zu, wollte tapfer sein und sich selbst treu bleiben. Höchst beeindruckend schildert sie, wie die Häftlinge unter den unmenschlichen Bedingungen ihren Humor nicht verloren und sich mit einem Lachen über ihre Peiniger zu erheben versuchten. So wurden etwa Kabarettabende veranstaltet, um sich gegenseitig aufzumuntern.

Angesichts der Absurdität der Verhältnisse blieb ihr manchmal nur Sarkasmus. Dramatische Szenen spielten sich etwa ab, als das Kinderlager aufgelöst und die Familien auseinandergerissen wurden. Klaartje schreibt: „Wie man manchmal einfach so ein Stück Papier zerreißt, so wurden Herzen und Seelen zerfetzt und auseinandergerissen. … Jedes Herz, egal, ob groß oder klein, zertreten, beschmutzt und für immer zerstört. Das war Zivilisation. Das war Kultur. Das war das neue Europa. Wann wird für uns die Erlösung kommen? Wo bleibt unsere Rettung?“. Für Klaartje de Zwarte-Walvisch gab es keine Rettung. Man deportierte sie von Westerbork weiter nach Sobibór, wo sie wenige Tage später in der Gaskammer ermordet wurde.

Anzeige

Rezension: Dr. Heike Talkenberger

Zwarte-Walvisch, Klaartje de
Mein geheimes Tagebuch. – März – Juli 1943.
Verlag C. H. Beck, München 2016, 201 Seiten, Buchpreis € 17,95
Anzeige
DAMALS | Aktuelles Heft
Bildband DAMALS Galerie
Der Podcast zur Geschichte

Geschichten von Alexander dem Großen bis ins 21. Jahrhundert. 2x im Monat reden zwei Historiker über ein Thema aus der Geschichte. In Kooperation mit DAMALS - Das Magazin für Geschichte.
Hören Sie hier die aktuelle Episode:
 
Anzeige
Aktueller Buchtipp
Wissenschaftslexikon

Al|ti|graf  〈m. 16; Meteor.〉 = Altigraph

Chry|so|pras  auch:  Chry|sop|ras  〈[çry–] od. [kry–] m. 1; Min.〉 apfelgrüne Abart des Chalcedons … mehr

ach|ter  〈Adj.; Mar.〉 hinter [nddt. für after; … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige