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„Mir selber seltsam fremd“ – Die Unmenschlichkeit des Krieges. Rußland 1941–44. Hrsg. von Stefan Schmitz

Reese, Peter Willy

„Mir selber seltsam fremd“ – Die Unmenschlichkeit des Krieges. Rußland 1941–44. Hrsg. von Stefan Schmitz

Willy Reese, einer der 18 Millionen Mannschaftssoldaten der deutschen Wehrmacht, hat den Großangriff der Roten Armee im Sommer 1944 nicht überlebt. Dieser Angriff hatte zum Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte geführt, welcher auch seine Einheit angehörte. Jedenfalls verliert sich zu dieser Zeit die Spur dieses „kleinen Mannes“ in Uniform: vermißt, gefallen …? Seine Hinterlassenschaft: Das Kriegstagebuch eines einfachen Soldaten an der Ostfront. Er arbeitete es in den Fronturlauben in ein Buchmanuskript mit literarischem Anspruch um. Erst jetzt, 60 Jahre nach seinem Tode, wurde der Wert dieses Textes erkannt. Der Journalist Stefan Schmitz hat ihn ediert und mit kundigen zeitgeschichtlichen und biographischen Kommentaren versehen. Was dieses Buch zu einer faszinierenden Lektüre macht, sind die Widersprüche, in denen der Autor, den man sich als einen hochbegabter junger Mann vorstellen muß, gelebt hat. Als Angehöriger des Jahrgangs 1921 hatte er keine Chance, sein eigentliches, von einer pazifistischen Grundeinstellung geprägtes Leben zu gestalten. Er wurde Anfang 1941 zur Wehrmacht eingezogen und nach kurzer Ausbildung in den Krieg an die Ostfront geschickt. Präzise beschreibt er, wie er den schrecklichem Kriegsalltag erlebte. Was Reeses Text von anderen autobiographischen Zeugnissen unterscheidet und auszeichnet, ist die Tatsache, daß sich in ihm die besondere Fähigkeit des Autors spiegelt, sich selbst, gleichsam mit dem Blick des Außenstehenden, zu beobachten und die seelischen Deformationen zu registrieren, die in ihm fast unmerklich vor sich gingen. Er erkannte: Ich wurde „mir selber seltsam fremd“. Wenn er zu Hause oder im Lazarett war, spürte er seine vollständige Entwurzelung aus dem normalen zivilen Leben – und sehnte sich wieder zurück in den Krieg, an die Front, seine neue Heimat. Nachgeborenen vermittelt die Lektüre dieses lebenswerten Buches eine erschreckende Entdeckung: Der junge deutsche Bildungsbürger Willy Reese war bei allen literarischen Fähigkeiten in politischen Angelegenheiten gänzlich blind. Das Töten und Sterben um ihn herum deutete er unmittelbar metaphysisch: Geist, Sterne, Schicksal, Notwendigkeit, kosmisches Ereignis, Gottes Fügung, übermächtige und unfaßbare Kräfte. In einer solchermaßen unverstandenen Welt gab es denn auch keine individuelle Verantwortung und nicht einmal den Ansatz von Widerstand.

Rezension: Wette, Wolfram

Reese, Peter Willy
„Mir selber seltsam fremd“ – Die Unmenschlichkeit des Krieges. Rußland 1941–44. Hrsg. von Stefan Schmitz
Claasen Verlag, München 2003, 284 Seiten, Buchpreis € 21,00
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