Was haben Gilgamesch, Homer, Nero und der Einsiedler Antonius gemeinsam? Sie alle sind „Schlüsselfiguren der Imagination“, so jedenfalls will es der von dem Historiker Andreas Hartmann und dem Literaturwissenschaftler Michael Neumann herausgegebene Band „Mythen Europas. An?tike“. Er ist Teil einer neuen Reihe, die weiter über das Mittelalter bis zur Moderne führen soll. Dabei soll nicht so sehr die Biographie, sondern eher die Wirkung einzelner Persönlichkeiten auf Zeitgenossen und Nachwelt im Vordergrund stehen.
Hans-Joachim Gehrke etwa fragt in seinem sehr lesenswerten Beitrag nach der Grundlage der enormen Faszination, die Alexander der Große auf Mit- und Nachwelt auszuüben vermochte. Er zeigt, wie Alexander, inspiriert durch die „Ilias“ des Homer und sein Heldenvorbild Achill, seinen eigenen Feldzug mit symbolischen Inszenierungen versah, die ihn in unmittelbaren Kontakt zu seinem Vorbild setzten. Alexander machte Geschichte, weil er, so Gehrkes These, durch sein unbedingtes Streben nach Weltherrschaft nicht nur seine Zeitgenossen zu übertreffen suchte, sondern sogar die größten mythischen Helden.
Der insgesamt ansprechend geschriebene Band bietet so spannende Perspektiven auf scheinbar vertraute historische Gestalten und lädt dazu ein, sich über die Licht- und Schattenseiten antiker „Helden“ und ihre Ausstrahlung Gedanken zu machen.
Rezension: Talkenberger, Heike