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„Nicht schießen, wir schießen auch nicht“ – Versöhnung von Kriegsgegnern im Niemandsland 1914-1918 und 1939-1945

Rieker, Heinrich

„Nicht schießen, wir schießen auch nicht“ – Versöhnung von Kriegsgegnern im Niemandsland 1914-1918 und 1939-1945

Zum Wesen des Krieges gehört das Töten. Aber auch im „Kriegshandwerk“ fand in der Moderne eine ungeheuere Technisierung statt, und die „Materialschlacht“ wurde zum Symbol des Ersten (wie später des Zweiten) Weltkriegs. Damit – und mit dem Erstarren der Fronten im System der Schützengräben – ging eine existentiell neue Kriegserfahrung einher. Körperliche wie seelische Verletzungen erhielten eine neue Qualität (was lange nicht zur Kenntnis genommen wurde); die Gefallenenzahlen kletterten in bis dato ungekannte Dimensionen. Aus gutem Grund hat der amerikanische Diplomat und Historiker George F. Kennan den Ersten Weltkrieg als die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Mit den oben angedeuteten Erfahrungen und der immer unabsehbareren Dauer des als „kurzer Krieg“ begonnenen Ersten Weltkriegs wuchs die Friedenssehnsucht – auf allen Seiten! Sie mündete nicht nur in Revolten (so in Frankreich, Russland und Deutschland), sondern auch in Gesten der Brüderlichkeit und Absprachen über die Schützengräben hinweg. Dieses Phänomen ist Thema von Heinrich Riekers Buch „’Nicht schießen, wir schießen auch nicht!‘ Versöhnung von Kriegsgegnern im Niemandsland 1914–1918 und 1939–1945“. Ob mit dem Fraternisieren tatsächlich immer oder auch nur in der Mehrzahl der Fälle „Versöhnung“ gemeint war, wie der Untertitel suggeriert, sei dahingestellt. Faszinierend sind die von Rieker zusammengetragenen Funde allemal. Er durchforstete Tagebücher, Feldpostbriefe und Autobiographien und fand erstaunlich viele dieser „rührenden, fast erschütternden Bekundungen einer verzweifelten Sehnsucht nach Humanität in einer Zeit, die von unbeschreiblicher Grausamkeit geprägt war“. Besonders zahlreich waren diese Begegnungen naturgemäß zu den christlichen Feiertagen, vor allem zu Weihnachten. Allen Beteiligten war der Widersinn wohl überdeutlich: dass man schon bald wieder auf diejenigen schoss, mit denen man soeben Fußball gespielt, gegessen („Heute gibt es bei uns Schweinebraten“, informierten Briten ihre deutschen „Gäste“), getrunken oder Lebensmittel getauscht hatte. Zu diesen Gesten gehörte auch, Briefe zu tauschen (beispielsweise, um den Gegner, der im Wortsinn auch ein – deutlich wahrnehmbares! – Gegenüber war, darüber zu informieren, dass man nun leider wieder schießen müsse) oder einfach nur zu plaudern. Auch zum Zweiten Weltkrieg fördert Rieker bemerkenswerte Beispiele zutage. Auffällig ist allerdings zweierlei: Die Flucht in eine vergleichsweise heitere Normalität, die zahlreiche Begebenheiten vor allem der Jahre 1914 und 1915 charakterisiert, findet sich nach 1939 nicht. Zudem scheint es in beiden Kriegen deutlich mehr Beispiele von der West- als von der Ostfront zu geben. Das hat nachvollziehbare Gründe, die bei Rieker allerdings nur angedeutet werden, wie generell die Einbettung der Einzelszenen in ihren jeweiligen historischen Kontext eher knapp ausfällt. Informative Photographien und längere Originalpassagen aus Briefen oder Autobiographien vermitteln aber eine dichte und anschauliche Atmosphäre. Selbst im Abstand von mehr als 90 bzw. knapp 70 Jahren bewegt die Beobachtung, wie junge Soldaten versuchen, sich durch die Rückkehr zu zivilen Verhaltensmuster dem Wahnsinn des Krieges wenigstens kurzzeitig zu entziehen.

Rezension: Hiller, Marlene P.

Rieker, Heinrich
„Nicht schießen, wir schießen auch nicht“ – Versöhnung von Kriegsgegnern im Niemandsland 1914-1918 und 1939-1945
Donat Verlag, Bremen 2007, 178 Seiten, Buchpreis € 14,00
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