Die Kunsthistorikerin und Archäologin Carola Jäggi legt mit ihrem Band „Ravenna“ eine ausführliche, auf neuestem Forschungsstand basierende Überblicksdarstellung zur spätantiken Architektur und Kunst der Stadt vor. Nach der Verlegung der Kaiserresidenz 402 in die Adria-Stadt erfuhr Ravenna eine kulturelle Blüte, die in den zahlreichen Palästen, Kirchen und Mosaiken eindrücklich erkennbar wird.
Gegliedert in die drei wichtigsten politischen Phasen des 5. und 6. Jahrhunderts, behandelt das Buch die Kunst und Kultur der Stadt als weströmische Kaiserresidenz, Hauptstadt des gotischen Königsreichs sowie als Sitz des byzantinischen Statthalters von Italien. Durch die anhaltende politische Bedeutung des Ortes wurde Ravenna zu einem ausgeprägten Kunst- und Kulturzentrum, dessen Bauwerke und Kunstobjekte die wechselhafte Geschichte der Stadt widerspiegeln. Im Gegensatz zu Rom oder Konstantinopel errichtete man erst mit der Umsiedlung der Kaiserresidenz 402 die erste christliche Kirche in Ravenna. Danach setzte jedoch ein wahrer Bauboom ein.
Im Mittelpunkt der Arbeit stehen die sakralen Bauten. Die meisten der präsentierten Bauwerke, Sarkophage und Reliefs waren von Kaisern, Bischöfen und den reichen Patriziern der Stadt in Auftrag gegeben worden. Auch die weltlichen Bauwerke, also Paläste und Herrensitze, stellt die Autorin in ihrem Band vor. Berühmtheit erlangte die ehemalige Residenzstadt besonders durch ihre beeindruckende Mosaikkunst, so zum Beispiel die Kuppel der Kathedrale oder die Wandmosaiken in der Kirche S. Apollinare Nuovo.
Dabei geht die Kunsthistorikerin auch immer der Frage nach, was das Typische an der ravennatischen Kunst ist. Die einzigartige Mischung der verschiedenen kulturellen Stile – römisch, byzantinisch, gotisch und später der fränkische Einfluss – lassen erkennen, dass in der Spätantike eine eigene Ausdrucksform entstand. Charakteristisch ist für Ravenna leider ebenso, dass so manches Gebäude im Laufe der Jahrhunderte zerstört und an anderer Stelle als Baumaterial wiederverwendet worden ist. Diese Tatsache macht es teilweise schwierig, den ursprünglichen Zustand zu rekonstruieren.
Die durchgehend farbige Bebilderung sowie der verständliche Text laden Studenten der christlichen Archäologie und das interessierte Laienpublikum ein, sich näher mit dieser architektonisch reichen Stadt zu beschäftigen. Zahlreiche Hilfsmittel, darunter ein Stadtplan, ein Glossar, ein Überblick über die ravennatischen Bischöfe und eine kurze Chronologie Ravennas regen dazu an, die antiken Bauwerke und Kulturgegenstände selbst zu besichtigen.
Rezension: Christina Reich